von Dr. William Sen
digitalwelt-Kolumnist für Computersicherheit und Informationsrecht
Wau Holland, der Gründer des größten deutschen Hackervereins, des Chaos Computer Clubs (CCC), verstarb am 29. Juni 2001 im Alter von 49 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.
Zeit der Pioniere
Wenn man in der Geschichte der Hacker zurückblickt, tauchen so manch interessante Namen auf – wie zum Beispiel der Apple-Gründer Steve Wozniak.
Auch er war einst ein Hacker, der Begegnungen mit dem FBI wegen Telefonmanipulationen (Phreaken) nicht zu knapp hielt. Oder Hacker wie Kim Dotcom (Kim Schmitz aka Kimble), der eine Bewährungsstrafe mit Untersuchungshaft wegen Kreditkartenmissbrauchs hinter sich hat und heutzutage Aktien von letsbuyit.com um 400 Prozent mit Übernahmeangeboten künstlich mit Insiderhandel in die Höhe treibt. Die Liste setzt sich fort, bis hin zu dem einst reichsten Mann der Welt, Bill Gates, dessen Spuren bis zum ersten Hackerclub, dem Homebrew Computerclub, zurückzuführen sind.
Wau Holland dagegen, der als Gründer des Chaos Computer Clubs zu den bekanntesten Hackern der Welt gehört, trug prinzipiell eine Latzhose, Sandalen und einen ungepflegten Bart. Er hatte seinen Arbeitsplatz im Keller des Hauses seines Vaters. „Wer viel Geld als Hacker machen möchte“, sagte Holland einst, „geht einen anderen Weg als meinen.“
Logo des Chaos Computer Clubs
Der Chaos Computer Club entstand zu der Zeit des kalten Krieges in den 80er Jahren und feierte im Jahr 2001 den zwanzigsten Geburtstag. 1981 wurde der Begriff Computer von den Medien noch als Hebel des industriellen Aufstiegs oder als militärisches Machtinstrument assoziiert, und das, obwohl sich in den USA bereits seit langen Jahren Gruppierungen von elitären Computerspezialisten gebildet hatten, die sich Hacker nannten. Ihr Ziel war es nicht, wie damals noch auf den ersten Blick angenommen, effizientere wirtschaftliche Maschinen zu schaffen, um Arbeiter zu entlassen. Es ging vielmehr um die Erforschung von technischen Machenschaften und um das Verstehen und Nutzen von Computern für den Menschen: Der Computer als Kumpel. Ein wahrer Hacker sei verantwortungsbewusst und kritisch und sorge für Aufklärung. Solche und viele weitere Formulierungen findet man in der „Hackerethik“, die zum ersten Mal von Peter Samson, einem der ersten Hacker aus den späten 1950er Jahren, formuliert wurde.
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Schon damals wurde dort erkannt, dass jeder Programmierer aus Erfahrungen anderer profitiert und daher die Verantwortung hat, Informationen auch weiterzugeben.
Wer Informationen zurückhält, ist in Hackerkreisen automatisch ein Feind, den es zu bekämpfen gilt.
Die Hacker sollten die neuen Robin Hoods der neuen, computerisierten Gesellschaft werden. Das Ausspähen von verstecktem Wissen aus wirtschaftlichen Gründen und das Eintreten für freie Informationen wurde zum Ziel der Gemeinschaft. Für viele Hacker war das ein Grund, Sicherheitsbarrieren zu brechen und damit in verschlossene Systeme einzubrechen. Mit solchen Ansätzen gründete Wau Holland im Jahre 1981 den Chaos Computer Club – ausgerechnet in den Räumen der „taz“. Damals hätten die Redakteure der taz überhaupt nicht begriffen, was sich dort irgendwelche Leute, die mit Computern anreisten, wirklich als Ziel setzten.
Rangeleien mit der Post
Während andere Hackergruppen damaliger Zeit, wie „Bayerische Hackerpost“ oder „Computer Artist Cologne“ und viele weitere, unbekannt blieben, hat sich der „Chaos Computer Club“ mit Wau Holland in den letzten zwanzig Jahren zu einem der weltbekanntesten Hackergruppen entwickelt.
Der Durchbruch gelang Wau Holland im Grunde mit dem bekannten BTX-Hack. Die Deutsche Post war den jungen Hackern lange ein Dorn im Auge. Sie passte genau in das Bild eines Konzerns, dass Hackern allen Grund gab, sich über ihre Machenschaften zu erbosen. Und genau diese Tatsache motivierte zum Hacken.
Als die technisch Interessierten damals noch vom World Wide Web weit entfernt waren, bot die Post als Service Bildschirmtext (BTX) an, was im Grunde nicht mehr war, als ein Modem und ein rechenschwacher Computer. Diese Kombination wurde an die Kunden teuer vermietet. Als eine der ersten Antworten darauf bot der CCC eine Bauanleitung zu einem eigenen Modern in Ihrer Vereinszeitschrift an. Damit wurde der Verein mit der heute noch bekannten Zeitschrift „Datenschleuder“ erstmals öffentlich.
Das Logo von Bildschirmtext (BTX)
Die Postzulassung war ein Thema, das CCC und viele andere Computeranwender lange Zeit grollte. Die Post reagierte empfindlich, betonte stets den Einsatzverbot solcher selbstgebastelten oder aus dem Ausland importierten Geräte und drohte mit Sanktionen. Die sog. „Postzulassung“ an sich stellte sich in den Augen vieler Hacker ausschließlich als einfacher Poststempel dar – eine Machenschaft aus Monopolzeiten, die nach der Meinung der Kritiker garantieren sollte, dass Anwender die überteuerten Geräte der Post kaufen sollten.
Bildschirmtext (BTX)
Bald stellte sich heraus, dass BTX außer Homebanking und pornographischen Angeboten scheinbar nicht viel hergab.
Wer sich bestimmte Seiten anschauen wollte, musste gar bis zu 9,99 DM Gebühren pro Seite zahlen. Mit einem Geldeinzugsverfahren wurde das Geld vom Konto des BTX-Benutzers abgebucht.
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Obwohl eine BTX-Seite knapp 2 Kilobyte an Daten nicht überschreiten durfte, tummelten sich im Laufe der Jahre viele unseriöse Anbieter, die es sich so zum Ziel gesetzt hatten, Anwendern das Geld aus der Tasche zu lotsen.
Wau Holland + Steffen Wernéry
Die ersten BTX-Seiten des CCC wurden im März 1984 ins öffentliche Netz gestellt, auf denen der Besucher unter anderem Postzeichen in einem Online-Game abschießen konnte. Im Laufe der Zeit entdeckte Wau Holland weitere Sicherheitslöcher im BTX-System. Es war beispielsweise möglich, in die Postfächer (vergleichbar mit dem heutigen eMail-Postfach) fremder Mitglieder zuzugreifen und die Nachrichten zu verändern. Wau versuchte mehrmals, die Post zu informieren, was jedoch entweder ignoriert oder als Unfug abgestempelt wurde.
Im November 1984 entdeckten Wau Holland und sein damaliger Partner Steffen Wernéry (Photo) ein weiteres großes Sicherheitsloch im Bildschirmtextsystem der Deutschen Post, was dem Chaos Computer Club dann endlich den weltweiten Bekanntheitsgrad einbrachte, der bis heute angehalten hat: jede einzelne BTX-Seite hatte maximal 1926 Bytes an Daten zur Verfügung. Füllte man die Seite bis zum letzten Speicheplatz aus, erschienen unerwartet merkwürdige Zeichen auf dem Bildschirm. In der Hoffnung auf einen Zusammenhang notierten sich die beiden Hacker die Zahlen (ein Ausdruck vom BTX war nicht möglich) und merkten bald, dass es sich um einen bestimmten mathematischen Algorithmus handelte.
Bank-Konten gehackt
Als sie diesen Coder entschlüsselt hatten, lag vor ihnen zufällig die BTX-Teilnehmerkennung einer Hamburger Sparkasse.
Schon zuvor hatte Wau Holland entdeckt, dass die individuelle Teilnehmerkennung als Hardware-Bausteinchen im BTX-Gerät selbst drinsteckte. Wenn man das Teil auswechselte, konnte man die Teilnehmer-Identifikation fälschen. Mit der neu erworbenen Teilnehmerkennung war es nun möglich, auf Kosten der Sparkassenfiliale in Hamburg BTX-Angebote zu nutzen. Damit das Geld auch in die richtige Richtung floss, besuchten die beiden Hacker ihre eigene kostenpflichtige CCC-Seite. Somit wurden die Gebühren für die CCC-Seite von der Sparkasse Hamburg abgebucht. In einer Nacht hatten die beiden das Konto ihres eigenen Vereins mit 137.000 Mark gefüllt.
BTX (Bildschirmtext)
Zwar zahlte Wau Holland das Geld freiwillig wieder zurück, doch der Pressewirbel um den spektakulären Hack sorgte im In- und Ausland für Furore. Mit dieser Presse-Erfahrung hatte Wau Holland den ersten Schritt in Richtung einer echten Diva gemacht. Denn wie die Vergangenheit von CCC zeigt, hatten der Club stets die richtige Verbindung zwischen seinen Aktivitäten und dem Presseinteresse aufgebaut. Noch im selben Jahr wurde der CCC als offiziell eingetragener Verein angemeldet.
Nur drei Jahre später gelang Wau Holland und Steffen Wernéry der berühmte NASA-Hack. Damit geriet Holland zwischen die Fronten des Kalten Krieges und in das Visier von CIA und BKA. Die deutsche Kripo beschlagnahmte Wau Hollands gesamtes Equipment wegen Ausspähung von Daten. Sein ständiger Begleiter und Freund Steffen Wernéry wurde dagegen als Vorstandsmitglied des CCC zunächst nach Frankreich als Berater eingeladen und auf diese Weise vom französischen Geheimdienst verhaftet, eingesperrt und verhört – das waren die wohl unvergesslichsten Augenblicke in Wau Hollands Leben.
Hollands Hackerethik
Doch Holland erholte sich schnell von diesen Rückschlägen und widmete sich weiterhin seiner Aufgabe, für Aufklärung zu sorgen.
Bis zu seinem Tod war er stets Befürworter der Hackerethik und hielt selbst seine Kritik an der New Economy nicht zurück. Er wies stets auf die Probleme und Chancen einer Informationsgesellschaft hin, hielt Vorträge und hatte damit weltweite Anerkennung gefunden.
Mit seinem Tod verliert der CCC sein wichtigstes Mitglied. Damit bleibt auch die Zukunft des mittlerweile auch mit kommerziellen Machenschaften in Verbindung gebrachten Vereins ungewiss. Denn auch der CCC steht im Blickwinkel kritischer Beobachter mittlerweile in Konflikt mit seinen einst so streng verfolgten Idealen.
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von Dr. William Sen
digitalwelt-Kolumnist für Computersicherheit und Informationsrecht
Dr. William Sen ist IT-Experte seit über 30 Jahren. Er publizierte zahlreiche Bücher und Fachartikel im Bereich Netzsicherheit und Hackerkultur, unter anderem für den heise verlag (c't), taz, WDR Radio, und ist außerdem bekannt durch Auftritte und Rezensionen auf CNBC, Focus, Spiegel, Pro 7, Kabel 1, WDR, NDR, SWR, Handelsblatt, Financial Times, und viele mehr.
William ist Dipl. Inf.-Wirt (TH Köln) und promovierte zum Dr. phil. an der Uni Düsseldorf (Informationswissenschaften). Er lebt und arbeitet in San Diego, Kalifornien.
1 comment for “Wau Holland: Der Tod eines Hackers”
jodok siegenthaler,
15. Oktober, 2018 um 18:05
also, ich habe nur noch fragmentarische erinnerungen an wau
so um 1979/80 kam er zu uns in die wohngemeinschaft, hatte einen computerbrotjob bei einer buchhandlung in basel, und kam zu uns weiss nicht wie, stellte sich vor als
DR WAU – druide wau… es waren spannende, lebendige wochen – wir tagsüber im sogenannt selbstverwalteten palazzo in 4410 liestal mit buchhandlung, secondhandshop, beiz usw. und er in basel, ganze nächte mit uns mit skat, canasta, viel gelacht und noch viel mehr, mit rauchigen schwaden verbracht bis wir am tisch einschliefen… er war unser held – erzählte geschichten über eindringen in grosse computeranlagen der kapitalumlagezentren… schade können wir uns nicht mehr auf lebendiger ebene wiederbegegnen – sei gut mit dir druide wau
also, ich habe nur noch fragmentarische erinnerungen an wau
so um 1979/80 kam er zu uns in die wohngemeinschaft, hatte einen computerbrotjob bei einer buchhandlung in basel, und kam zu uns weiss nicht wie, stellte sich vor als
DR WAU – druide wau… es waren spannende, lebendige wochen – wir tagsüber im sogenannt selbstverwalteten palazzo in 4410 liestal mit buchhandlung, secondhandshop, beiz usw. und er in basel, ganze nächte mit uns mit skat, canasta, viel gelacht und noch viel mehr, mit rauchigen schwaden verbracht bis wir am tisch einschliefen… er war unser held – erzählte geschichten über eindringen in grosse computeranlagen der kapitalumlagezentren… schade können wir uns nicht mehr auf lebendiger ebene wiederbegegnen – sei gut mit dir druide wau