von William Sen, Denis Moschitto, Nico Barbat
Der Begriff „Online“ hätte im Wettbewerb der populärsten Wörter der späten 90er Jahre mit Sicherheit gute Chancen auf eine Platzierung im oberen Feld. Außenstehende müssten annehmen, dass sich nur Firmen aus der Computer- und Elektronikbranche gezwungen sehen, im Internet vertreten zu sein. Tatsächlich erhält jedoch allmählich die ganze Welt Einzug ins Netz der Netze.
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Anzeige | Gesponserte AngeboteDer Sprung ins Netz
Die Szene hat diesen wichtigen Schrittschon früh getan. Auf den ersten Blick erfolgte der Sprung ins Netz eher unspektakulär, unterschwellig und problemlos. Tatsächlich jedoch mussten viele Traditionen über Bord geworfen werden, um mit beiden Beinen fest im Netz zu stehen. Die alte, in der Szene gängige Methode des Briefwechsels durch die Post erwies sich für die Szene als unnötige Zeitverzögerung – der Versand entsprach nicht der Motivation der „0-Day-Warez“-Freaks. Nostalgiker bedauern zwar noch heute die Verdrängung des klassischen Versendungsweges via „Snail Mail“ durch das Internet, da aus ihrer Sicht der Kontakt dadurch innerhalb der Szene flüchtiger und unpersönlicher wurde. In der Tat aber hat der Umstieg auf das Netz den Zusammenhalt der Szene um ein Vielfaches verbessert. Erschwert wurde die alte Situation zudem dadurch, dass die Post allmählich auf die Szene aufmerksam wurde, weil kaum ein Szenemitglied es einsah, zahlender Benutzer der Post zu werden. Nicht wenige versendeten ihre Briefe mit manipulierten Briefmarken: Haarspray, Labello, Kleber oder Tesafilm fanden endlich ein sinnvolles Einsatzgebiet, um den Stempel ohne großen Aufwand wieder abkratzen zu können.
Durch die Möglichkeit der weltweiten Präsentation im Internet in Kombination mit der Wahrung der Anonymität entwickelte sich die Szene in den letzten Jahren von einer Untergrundvereinigung zu einer Gemeinschaft, die sich der Öffentlichkeit nicht mehr verschließt. Im Internet findet man problemlos die Adressen verschiedener legaler und illegaler Szenegruppen, die auf ihren Seiten Informationen über sich und die Szene freizügig preisgeben. Für alle Interessierten und Neueinsteiger ist das Netz also die beste Möglichkeit, ganz nah am Geschehen zu sein.
Treffpunkt IRC
Neben dem World Wide Web hat sich der IRC (Internet Relay Chat) im Laufe der Jahre zu einem erfolgreichen Service im Internet entwickelt. In zahlreichen Chaträumen diverser Websites und in speziellen Chatkanälen treffen sich täglich Tausende von gesprächswütigen Internetnutzern und diskutieren über Themen aus allen Bereichen. Auch die Szene hat ihrerseits eigene Kanäle (IRC-Channels) in diesem Datendschungel eingerichtet, um dort eine gemeinsame Ebene zu schaffen. Hier „quatschen“ hartgesottene Szenemitglieder über Demos, Parties und den PC allgemein. Sehr beliebt sind natürlich auch spezialisierte Chatkanäle, wo Demoprogrammierer auch bekannter Gruppen ihr Programmierwissen (Coding) von Assembler über C++ austauschen. Solche Kanäle sind sicherlich ein Geheimtipp für Programmierer, die hier und da einige Fragen an kompetente Coder stellen möchten. Die sogenannten Grafiker, die eine,‘ eigene Subkultur des sogenannten „Pixelns“ gegründet haben, sind unter #pixel anzutreffen. Diese und viele weitere Chatkanäle, wie auch #thescene werden hauptsächlich von Szenemitgliedern genutzt und sind ein interessantes Forum für Demofans, die aus Leidenschaft oder einfach nur aus reiner Neugier einmal in Kontakt mit bekannten Gesichtern aus der Demoszene treten wollen. So können eben auch Neueinsteiger einfach nur „zuhören“, um so Informationen aus den Chats herauszuziehen. Die wenigsten Demofans mit einem Internet-Account wissen jedoch, dass man in den IRC-Kanälen bekannte Größen renommierter Demogruppen antrifft, darunter auch Legenden aus längst vergangenen Zeiten. Die Beliebtheit des IRCs beruht aber nicht allein auf der Möglichkeit zum Chatten: Ein wichtiger Bestandteil des IRCs ist auch der Datenaustausch durch das sogenannte DCC-Protokoll, so dass durchaus auch Demos, Musikstücke, Grafiken und Programme in den bestimmten Channels getradet, also getauscht werden können.
Die Präsentation im Web
Wie präsentiert sich die Szene aber tatsächlich im Internet? Manch einer formuliert die These, dass fünfundneunzig Prozent des Inhalts im Internet als reine Ressourcen-Verschwendung anzusehen sind. Die restlichen fünf Prozent können bei der Beschaffung von Informationen und anderen Daten nützlich sein. Bei einer Anzahl von 1,5 Millionen angeschlossenen Servern allein in Deutschland wären dies fünfundsiebzigtausend Sites. Tatsächlich für den Einzelnen persönlich relevant sind davon meist nur einige wenige Homepages. Und diese Zahlen treffen auch für die Szene im Internet zu …
Grob gesagt: Ein Großteil der Szene-Homepages enthält Informationen, die sich gegenseitig überschneiden. Auf den meisten Sites befinden sich lediglich News zu der entsprechenden, für die Homepage verantwortliche Szenegruppe: aktuelle Memberlisten, neue Veröffentlichungen, usw. Aber oft fehlt selbst die Möglichkeit zum Downloaden dieser Demos. Nun dient das Web jedoch nicht ausschließlich zur Repräsentation der eigenen Person oder der Gruppe – Gutes Design allein, ist für den Surfer wenig hilfreich. Abgesehen von noch dazu oft längst überholten Links-Listen stellen darüber hinaus wenige Szene-Sites einen sinnvollen Service zur Verfügung.
Wer jedoch einen echten Einblick in die Demoszene erlangen will, ist mit den Homepages der bekannten Szene-Magazine gut beraten. In der letzten Ausgabe haben wir bereits über Disk- und Online-Magazine berichtet. In vielen Fällen glänzt dort nicht nur das Layout, sondern auch der Inhalt: News, Charts, Kommentare, Links, und weitere szeneinterne Informationen werden hier in bester Szene-Tradition präsentiert. Was wieder einmal beweist, dass es glorreiche Ausnahmen gibt – eben diese minimalen 0,0003 Prozent …