von William Sen, Denis Moschitto, Nico Barbat
Durch einen flüchtigen Blick auf die Szene werden nur wenige schlauer, und die in der Szene herrschenden, durchaus gut organisierten Strukturen bleiben für Außenstehende ein Buch mit sieben Siegeln. Dabei ist es heute um ein Vielfaches einfacher geworden, die Szene zu beobachten.
Die Zeiten, in denen szeneinterne Informationen durch Infofiles nur in den Boards (Bulletin Board Systems) der hartgesottenen und illegalen Elite zu finden waren, sind vorbei. Heutzutage geschieht dies auch über öffentliche Adressen des Internets – das Aminet ist hier nur ein Beispiel unter vielen.
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Anzeige | Gesponserte AngeboteDas Internet hat vor der Szene nicht halt gemacht, was unter anderem bedeutet, dass ihre Mitglieder auch mit der enormen Informationsflut zu kämpfen haben, die mittlerweile gigantische Ausmaße angenommen hat. Eine essentielle und wichtige Rolle bei der Erhaltung der Überschaubarkeit in der Szene spielen daher die Diskmags – die elektronischen Nachrichtenmagazine der Demoszene.
Vor einigen Jahren noch auf Disketten als Datenträger erhältlich, hat sich mittlerweile nicht nur die Form, sondern auch die inhaltliche Qualität stark verändert. Das Niveau und auch die Handhabung der Magazine sind enorm gestiegen. Die Diskmag-Programmierer legen großen Wert auf eine bequeme Menüführung, die das Klicken durch spannende Reportagen und Berichte der Szene zu einem unterhaltsamen und informativen Erlebnis machen.
Die meisten Diskmags sind durch das Internet beziehbar. So bieten viele Szenegruppen, die sich speziell auf die redaktionelle Arbeit innerhalb der Szene konzentriert haben, ihre Magazine online im Web an. Ein Service, der aber auch seine Nachteile hat, denn das World Wide Web ist im Grunde genommen die einzige ernstzunehmende Konkurrenz für die bereits existierenden Diskmags. Im Web sind die Informationen neuer, das Design bunter, die Interaktion größer. Das alles wird aber wohl kaum reichen, um die Diskmags gänzlich verschwinden zu lassen. Zu groß ist der Kult, der um die Szenereporter herumschwirrt. Dennoch sind in den letzten Jahren so einige berühmte Namen von der Bildfläche verschwunden, die so manch ein Scener der alten Tage schmerzlich vermissen wird. Das Diskmag „RAW“ ist so ein Beispiel: Der ehemalige Daueranwärter für den ersten Platz in allen Diskmags-Charts ist aber auch ein klassisches Beispiel für die Veränderungen, die uns das Web beschert hat. Einst alleinig als Diskmag von der legendären Demogruppe Spaceballs veröffentlicht, wurde RAW vor einigen Jahren um eine durchaus gelungene Version im Internet erweitert. Dies war aber gleichzeitig auch das Ende dieses bekannten Diskmags. Wenige Zeit später wurde die letzte Ausgabe veröffentlicht.
Dasselbe Schicksal erfuhren schon einige Jahre vorher ohne Einwirkung des Internets einige andere Größen des digitalen Wortes: „Zine“, das erste ernstzunehmende Diskmag in den 90er Jahren von der Gruppe Brainstorm, „Mc Disk“ von Alcatraz, Stolen Data“ von Anarchy, „Hackmag“ von D-Tect verschwanden zusammen mit den Gruppen, die für die Diskmags verantwortlich waren, meist lange bevor sie die zehnte Ausgabe überhaupt nur annähernd erreichen konnten. Einige jüngere Opfer des Aussterbens oder Zusammengehens von Szenegruppen sind „Rage“ von Eremation und „The Jungle“, von X-Trade. Ungewiss ist die Situation bei den Gruppen Gods und Eremation – die Veröffentlichung des einst so beliebten Diskmags „DISC“ steht derzeit noch auf des Messers Schneide, ebenso wie das durch sein mächtiges Artikelvolumen bekannte „Grapvine Mag“ des englischen LSD-Teams.
Heute streiten sich die wenigen große Diskmags um die Vorherrschaft: „Generation“, veröffentlicht von. der deutschen Gruppe Endzeit (vormals Artwork), und .“Scenetime“ von der italienisch-deutschen Gruppe Darkage punkten in den Charts am kräftigsten.
Nach der Meinung vieler Autoren (Editors) anderer Magazine sollten jedoch andere Diskmags, zum Beispiel „Oepir Risti“, „Trashcan“ oder „Jurassic Pack“ an der Spitze liegen. Hier zahlt sich eben auch aus, dass das Auge mitliest – je besser das Design, desto höher die Wertschätzung durch Außenstehende.
Deutschsprachige Diskmags haben im internationalen Vergleich keine große Bedeutung, auch wenn hierzulande „Funtime“ und „No Cover“ gerne gelesen werden.
Es stellt sich auch die Frage, ob es sich eigentlich noch lohnt, ein altes Diskmag herauszukramen und Artikel zu lesen. Diese Frage kann wohl nur bejaht werden, denn wenn man mehr über die Szene wissen möchte, führt daran kein Weg vorbei. Nur in den alten Diskmags erfährt man, wer in den frühen Tagen die Szene gegründet und angeführt hat. Ein historischer Blick auf die ersten und aktuellen Ausgaben der „Eurocharts“ beispielsweise – eine der beiden offiziellen Charts der Szene – zeigt uns, dass die gestern und heute am meisten respektierten Gruppen oft die gleichen sind: Scoopex, Abyss, Spaceballs, Quartex, usw. – die Namen der Besten findet man eben immer wieder …
Neben den wenigen, aber dennoch qualitativ hochwertigen Magazinen erscheinen in regelmäßigen Abständen neue Mags, die oft auch mit der Qualität der bereits existierenden mithalten können, aber leider kaum eine Leserschaft finden. Der Overkill ist bereits erreicht. Im Grunde genommen besteht kein Bedarf für neue Diskmags in der Szene, und die meisten vielversprechenden Erstausgaben sind damit Anfang und Ende zugleich. Guter Journalismus allein reicht nicht mehr aus, denn auf diesen legt heutzutage ein jedes Szenemagazin großen Wert. Wer auf dem „Markt“ überleben will, muss also Neues bieten, oder sich einfach spezialisieren.
Ein gutes Beispiel für eine solche Spezialisierung ist das „X-Files“-Diskmag, das hauptsächlich von dem Szenemitglied „Big-Rat“ herausgegeben wird und seit der neunzehnten Ausgabe eine Produktion der Demogruppe „Nuance“ ist. X-Files ist ein lakonisches Informationsmagazin, mit dem man sich über den aktuellen Status einer jeden anerkannten Gruppe der Szene auf dem Laufenden halten kann. Gruppen, in denen sich Neuerungen entwickelt haben, sind farblich markiert und einfach per Mausklick abzurufen. Die Neuigkeiten werden ständig von den aktuellen Mitgliedslisten einer Gruppe begleitet, damit der Leser wirklich alles Wissenswerte auf einen Blick hat. Ein großer Pluspunkt des Magazins ist die rasche Aktualisierung der Informationen zu Szeneinterna, was nicht nur auf Big-Rats Position am Puls der Szene zurückzuführen ist.
Unter anderem sind es auch die Organisatoren der Szenegruppen, die derartige Magazine durch aktive Mithilfe protegieren und damit am Leben halten. So kam schon häufig vor, dass Mitglieder der Szene erst durch das Studieren eines Diskmags über ihre eigene Aufnahme in einer neuen Gruppe erfuhren.
Ein anderes Beispiel ist „The Scene Guide“, in denen die Ergebnisse aller großen Parties samt einer Kurzinfo zu den dort veröffentlichten Produktionen genannt werden, oder der „Demo-Guide“, der sich mit alten und neuen Demos beschäftigt.
Ein weiterer Fall von Spezialisierung sind die bereits erwähnten Charts. Diskmags, wie z.B. die „Eurocharts“, „Rage“ oder im erweiterten Sinne auch „Scenetime“. Die Charts stellen durch repräsentative Befragung von Szenemitgliedern sozusagen die offiziellen Hitlisten der Szene dar und zeigen so deutlich, welche Produktionen und welche Gruppen bzw. deren Mitglieder in der Szene am meisten respektiert werden.
Im Internet bietet die Homepage von Scenet einen guten Ausgangspunkt für die Lektüre von Disk- und Online-Magazinen.