In der Forschung hört man sehr oft die Begriffe Ursachen- und Wirkungsforschung. Oft wird die Wirkung selbst bekämpft, was dazu führt, dass die Ursache weiterhin zu neuen Auswirkungen führt. In der Wissenschaft wird dieses Prinzip als Kausalität bezeichnet. Dieses Phänomen ist auch in den Sozialwissenschaften ein beliebtes Thema. Wer gesellschaftliche Änderungen beeinflussen möchte, muss die Ursache bekämpfen.
Ein klassisches Beispiel ist die Drogenproblematik. Wer nur die Drogenkonsumenten bekämpft, löst nicht das eigentliche Problem, wie beispielsweise den organisierten Handel. Noch weiter betrachtet, muss sogar die Gesellschaft selbst als Ursache des Problems gesehen werden. Die Ursachen für den Drogenkonsum sind fehlende Verantwortung, Bildung und Arbeitsplätze. Man müsste nur alle Menschen zufrieden beschäftigen und bilden. Zudem würde jeder seiner Aufgabe mit Begeisterung nachgehen und sich freiwillig hohen Verantwortungen stellen. Es gäbe dann keinen Bedarf an Drogen, der oft als Flucht dient oder das Besondere oder Unentdeckte verspricht. Auch wenn sich das sehr utopisch anhört und die Aufgabe sehr schwierig bis unmachbar zu sein scheint, sind sich doch die Soziologen zumindest einig, dass dies der richtige Weg wäre. Wir sind also nicht in der Lage, die Lösung umzusetzen, aber zumindest kennen wir sie.
Wenn allerdings ein Problem zu komplex wird, so dass selbst der Mensch es nicht mehr begreifen kann, ist eine Ursachenbekämpfung nicht mehr möglich. Die Vernetzung der Menschen durch Social Media ist solch ein Phänomen. Die Wirkung von bestimmten Strömungen spüren Unternehmen zwar, doch die Ursache bleibt aufgrund der hohen Komplexität des Netzes verborgen. Das heißt im Grunde: in Social Media ist Ursachenforschung meist nicht mehr möglich.
Auch für die Budgetierung von Maßnahmen wird die Komplexität des Netzes zum Problem. In den klassischen Werbekanälen wusste man noch relativ gut, in welche Kanäle investiert werden musste, damit die Wirkung eintrifft. Heute ist es allerdings so, dass keiner mehr mit Sicherheit sagen kann, zu welch einer Wirkung eine bestimmte Social-Media-Kampagne führen wird.
Man kann nicht alles berechnen und kontrollieren. Unternehmen müssen Erfahrungen sammeln und ihre Strukturen möglichst dem neuen Markt entsprechend aufbereiten. Dann können letztlich die Candystorms die Shitstorms übertreffen, aber eben nicht komplett ersetzen.
Dieser Artikel erschien in dem Social Media Magazin Nr. 2014-III als Editorial.