Die Idee des gemeinschaftlichen Agierens, Teilens und Nutzens von Medien ist keine Erfindung von Social Media. Seit den Anfängen des Internets waren ihre Nutzer in vielerlei Kanälen vernetzt und haben die Möglichkeiten der kollaborativen Anwendung frühzeitig erkannt. Foren, Blogs und Chats gab es lange vor dem Webbrowser von Tim Berners-Lee.
Als der Begriff Social Media aufkam, wurde er daher vor allem von den Digitalen Natives als unbedeutendes Buzzword degradiert. Sie fanden in den Medien des neuen Zeitalters viele Prinzipien des Internets und der Net Community wieder. Warum jedoch Medien wie Facebook, Twitter und YouTube eine neue Ära eingeleitet zu haben scheinen, ist relativ einfach erklärt: Noch nie hat das Internet für derart zahlreiche Berichterstattungen und Diskussionen gesorgt wie heute. Wenn wir YouTube-Videos in der Tagesschau sehen, die Facebook Page unserer Automobilmarke in der Werbung eingeblendet wird und Zeitschriften ihre Twitter-Adressen im Impressum abdrucken, entsteht leicht der Eindruck, diese Medien seien einzigartig und revolutionär. Doch die Menge der Erwähnungen und die Häufigkeit ihrer Einblendung in unserem sozialen Umfeld ist noch lange kein Garant für eine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachhaltigkeit dieser Medien. Die kurze Geschichte vieler neuer Medien im digitalen Zeitalter zeigt, dass es zahlreiche Dienste gab, die sich trotz ihres Aufstiegs und ihrer Popularität nicht langfristig bewähren konnten. Ihr schnelles Wachstum und ihre Bekanntheit führten stattdessen dazu, dass immer mehr Konkurrenzprodukte entstanden und die Produkte im ständigen Druck waren, ihre Features zu erweitern und zu erneuern. Je schneller es voranging, desto kürzer wurden die Lebenszyklen der Portale.
LetsBuyIt.com
Das Portal LetsBuyIt.com war seiner Zeit weit voraus. Noch vor dem Web 2.0 hat das Unternehmen die Kollaboration der Konsumenten zum Vorteil erklärt nach dem Motto „Gemeinsam sind wir nicht nur stark, sondern kaufstark.“ Das Prinzip war denkbar einfach: Je mehr Kunden ein bestimmtes Produkt bestellten, desto billiger sollte es werden. Das Mengenrabatt-Prinzip hatte die Grundzüge von Social Media bereits zu diesem Zeitpunkt in sich. Es setzte auf die Menge der Nutzer, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten konnten.
Das im Jahre 1998 gegründete Unternehmen machte zunächst große Schlagzeilen und war eines der bekanntesten Startups seiner Zeit, wie heute beispielsweise Groupon. Doch es mangelte am operativen Geschäftsablauf. Lange Lieferzeiten, zu teure Angebote und massenhafte Kundenbeschwerden brachten das Unternehmen zum Schwanken. 2001 meldete das junge Startup schließlich Insolvenz an und verschwand bald darauf mit viel Medienrummel von der Bildfläche.
Friendster
Freunde zu finden und sich in einem Portal zu vernetzen, ist keine Erfindung von Facebook. Zahlreiche Portale haben es vorher versucht – ebenfalls mit großem Erfolg. Friendster war gewissermaßen der amtierende Schwergewichtsweltmeister in der Disziplin Web 2.0, noch vor Social Media. In der Zeit zwischen 2002 und 2004 galt Friendster als das größte So-cial Network der Welt. Kaum hatte das Portal diese Größe erreicht, tauchte ein neuer Wettbewerber auf. Ab 2004 gelang es dem Newcomer MySpace, große Marktanteile für sich zu gewinnen. Die Bekanntheit von Friendster dagegen nahm rapide ab und das Unternehmen musste zusehen, wie ihn sein Rivale mit großer Geschwindigkeit überholte. Mittlerweile wurde das Unternehmen an einen malaysischen Konzern verscherbelt. Wer das Portal damals zum Verwalten seiner Bilder als Archiv nutzte, musste außerdem erleben, dass alle seine Fotos, Videos, Blogs und Kommentare im Rahmen eines Relaunches gelöscht wurden, als sich die Site in ein gewöhnliches Gaming-Portal verwandelte.
MySpace
230.000 neue Mitglieder pro Tag – das war die Zahl, mit der MySpace Presse machte. Im Jahre 2006 konnte MySpace über 100 Millionen Mitglieder vorweisen und hatte sich als größtes Social Media Network der Welt etabliert. In Relation zu den Internet-Nutzungszahlen war das zur damaligen Zeit eine Zahl, die heute mit Facebook durchaus mithalten könnte. Etwas später waren es knapp 270 Millionen Mitglieder. Schließlich kam die Sättigungsphase für das Portal und die meisten Nutzer wechselten zu alternativen Angeboten. Die Mitgliederzahlen sanken in kürzester Zeit auf 40 Millionen. Das Unternehmen wurde schließlich für 35 Millionen Dollar verkauft. Zuvor hatte es einen Wert von 580 Millionen Dollar.
StudiVZ
Noch heute wird der Begriff studiVZ als Synonym für Social Networks benutzt. Das im Jahre 2005 gegründete Portal hatte rechtzeitig die Nachfrage nach Social Networks erkannt. Innerhalb eines Jahres entwickelte sich die Zahl der Mitglieder auf 2,3 Millionen Studenten. Bis zum Jahr 2008 gehörte das Portal zu den erfolgreichsten in Deutschland. Den großen Durchbruch schaffte es jedoch nicht und blieb im deutschsprachigen Raum hängen. Dazu wurden Kritiken laut, dass das Portal keine neuen Features mehr anbiete. Außerdem wurde dem Unternehmen die Ähnlichkeit mit Facebook zum Verhängnis, da dem Portal das nötige Alleinstellungsmerkmal fehlte. Seit Oktober 2011 geht es für das Network steil bergab und im Februar 2012 waren die Besucherzahlen bereits um mehr als 80% zurückgegangen.
StayFriends
Dem Misserfolg von studiVZ dicht folgend steht auch StayFriends auf der Abschussliste der Nutzer. Gegründet im Jahre 2002, positionierte sich das Tochterunternehmen der Firma Classmates Online aus den USA relativ spät auf dem Markt, konnte allerdings schnell ausbauen. Am Erfolg der Social Networks nahm das Unternehmen allerdings nicht lange teil. Wer vor einigen Jahren noch bei StayFriends nach Klassenkameraden Ausschau gehalten hat, findet sie mittlerweile auf Facebook wieder. Mit vielen Werbemails versuchte StayFriends zunächst, nicht in Vergessenheit zu geraten, und bombardierte seine Mitglieder mit Updates und News-Meldungen. Diese Maßnahme führte jedoch zu zahlreichen Abmeldungen. Bis heute gibt es enorm viele Anleitungen im Web, wie man seinen Account bei StayFriends löschen kann. Laut Meedia gehört StayFriends zu den Top-10-Absteigern der Social Networks. Das Portal verlor innerhalb eines Jahres mehr als 25% seiner Besucher.
Kino.to & Megaupload
Nicht legal, aber trotzdem erfolgreich war der Dienst Kino.to. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich der Video-On-Demand-Service zu einem der bekanntesten und am häufigsten genutzten Internet-Portale in Deutschland. Mehr als 2.500 Serien, 22.000 Filme und 7.500 Dokus hatten die Nutzer des Portals täglich kostenlos zur Auswahl. Das Portal nutzte die umstrittene Rechtslage über das direkte Streamen von Videos. Zudem war die Website in Tonga ansässig, was die rechtliche Einstufung weiter erschwerte. Das Geschäftskonzept baute auf Werbung auf und erwirtschaftete Einnahmen in Millionenhöhe. Allerdings konnten sich die Betreiber nicht lange in ihrem Ruhm sonnen und wurden 2011 verhaftet, woraufhin die Website vom Netz genommen wurde. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch das Portal Megaupload. Das Portal, das angeblich mehr als 4% des gesamten Traffics des Internets ausmachte, wurde nach Ermittlungen des FBIs stillgelegt. Dem deutschen Betreiber Kim Schmitz droht im August die Auslieferung von Neuseeland in die USA, wo ihn eine Haftstrafe von 20 Jahren erwartet.
ICQ
ICQ, das Homophon für „I seek you“, wurde 1998 gegründet und durfte vor einigen Jahren noch auf keinem Rechner mit Internet-Zugang fehlen. ICQ war die bekannteste Chatsoftware auf dem Markt seiner Zeit und galt als Synonym für Instant Messaging. Wer eine sechsstellige ICQ-Nummer besaß, galt als einer der ersten Mitglieder und war oft besonders stolz auf seinen Account. Das israelische Unternehmen Mirabilis nahm schließlich im Jahre 1998 die Chance wahr, das Unternehmen für 407 Millionen Dollar an AOL zu verkaufen. Ab diesem Zeitpunkt ging es mit dem Dienst bergab. Schließlich wurde ICQ von dem russischen Facebook-Investor Digital Sky Technologies gekauft. ICQ hat seither mit einer großen Umstrukturierung der Internet-Umgebung zu kämpfen. Chatsysteme wie in Skype und Facebook entziehen der Software mittlerweile die Existenzgrundlage, zudem haben heutzutage fast alle Webmailer (zum Beispiel Yahoo) Instant-Messaging-Systeme in ihren Portalen integriert. Was einst als eine besondere Funktion galt, ist heute fast überall zu finden. Seitdem verliert ICQ fortwährend Besucherzahlen.
Mister Wong & Delicious
Die Diskussionen um Bookmark Sharing haben ihren Höhepunkt Ende 2007 erreicht. Wer einst seine Bookmarks oder Favoriten noch in seinem Browser verwaltet hatte, vermochte sie plötzlich mit allen anderen Usern des Webs zu teilen. Dadurch entstand eine neue Art der Suchmaschine. Auf diese Weise konnten Nutzer sehen, ob eine URL von vielen oder wenigen Nutzern gelistet wurde. Den automatischen Ranking-Verfahren von Suchmaschinen wie zum Beispiel PageRank von Google wurde mit dieser Methode das gemeinsame und menschliche Indexierens entgegengesetzt. Es entstand ein neues Verständnis für Suchmaschinen, und Journalisten und Wissenschaftler berichteten über die Neugeburt erstklassiger sozialer Suchmaschinen. Bis ca. 2009 wurde daher mit dem Begriff „Social Bookmarking“ die Plattform Mister Wong in Verbindung gebracht. Kurze Zeit später erlangte jedoch der internationale Mitbestreiter Delicious Bekanntheit und drängte Mister Wong zurück. Einige Jahre später nahm die Begeisterung um Social Bookmarks vor allem in westlichen Ländern wie Deutschland, den USA und Großbritannien wieder ab, so dass Yahoo im Jahre 2010 sogar damit drohte, den Dienst Delicious ganz abzuschalten.
Second Life
Zu den Diensten, die bisher die größte Neugier auslösten, gehört zweifelsohne Second Life. Seinen Höhepunkt erreichte das Portal mit seiner 3D-Welt Anfang 2007. Einige sahen in dem nun erfüllbaren Traum der virtuellen Realität sogar den Beginn von Web 3.0. Der Boom dauerte bis Ende des Jahres und bleibt den Nutzern heute nur noch als eine interessante Erfahrung in Erinnerung. Vor allem die Kritik um Kriminalität und Pornographie wurde Second Life zum Verhängnis. Hinzu kamen noch technische Gegebenheiten. So mussten Nutzer zum Beispiel eine große Datei herunterladen und auf ihrem Rechner installieren, während zu dieser Zeit gerade der Trend von browserbasierten Systemen und AJAX anfing. Erste Studien zeigten bald, dass die meisten Nutzer nach ihrem ersten Login nicht mehr in das Portal zurückkehrten.
Boo.com
Nicht nur rechtzeitig zum IT-Boom der späten 90er Jahre, sondern auch mit besonderer Innovation startete ein zunächst kleines britisches Unternehmen mit Hilfe eines ordentlichen Venture Capital Shop namens boo.com. Boo.com war damals die erste Plattform, in der man nicht nur Kleider kaufen, sondern die Garderobe auch in einer 3D-Simulation am Bildschirm vor dem Kauf anprobieren konnte. Durch sehr viel Publicity entwickelte sich Boo.com innerhalb von wenigen Wochen zum Marktführer. Allerdings schaffte es das Unternehmen auch, einen Rekord im Ausgeben aufzustellen und verschwendete in nur 18 Monaten 135 Millionen Dollar. Noch bevor das Unternehmen aus seiner Bekanntheit schöpfen konnte, wurde die Geldverbrennungsanlage am 18. Mai 2000 liquidiert. Das Unternehmen behielt jedoch bis heute seine Bekanntheit: Die Plattform gilt als die größte Dot-Com-Pleite in der Geschichte des Webs.