Bei der Einhaltung von schwierigen Gesetzen sind Nischenbranchen wie Social Media Monitoring stets im Vorteil. Innerhalb der öffentlichen Diskussion stehen sie in der Regel nicht im Rampenlicht und können ihre Marktposition meist sicher aufbauen, ohne zunächst beim Gesetzgeber aufzufallen.
Dabei kann die eine oder andere Gesetzgebung schon mal ignoriert werden, getreu nach dem Motto „Wo kein Kläger …“. Eine langsame Lawine rollt jedoch nun auch auf die Monitoring-Dienstleister zu. Betroffen sind vor allem Anbieter aus dem Ausland, die Daten nicht nach deutschem Recht erheben, sie aber trotzdem in Deutschland anbieten, zum Beispiel in Form von Daten- und Analyse-Tools.
Beim Erheben und Bearbeiten von Daten aus dem Web gelten in Deutschland die deutschen Gesetze. Das bedeutet, dass vor allem die beiden wichtigsten Bestimmungen, nämlich das Urheberrecht und der Datenschutz, grundsätzlich immer beachtet werden müssen. Analysten wie Social-Media-Monitoring-Dienstleister haben sich in Deutschland also an das deutsche Recht zu halten, wenn sie Daten erheben, bearbeiten und anbieten. Gleiches gilt auch für Unternehmen, die dann die Dienstleistung des Monitoring-Anbieters beanspruchen. In den USA hat das deutsche Recht dagegen keinerlei Bedeutung, sofern die Bearbeitung und Erhebung nur im US-Rechtsgebiet stattfindet. Ein amerikanischer Monitoring-Dienstleister kann also nach seinem eigenen Recht Daten aus dem Web erheben und sie innerhalb seines Rechtsgebiets ohne negative Konsequenz verkaufen.
Das amerikanische und das deutsche Recht besitzen viele Gemeinsamkeiten. Und dennoch: Ein paar ihrer Bereiche könnten unterschiedlicher nicht sein. Einer davon ist der Datenschutz. Bekanntlich ist das amerikanische Recht für Unternehmen bei der Bearbeitung von personenbezogenen Daten im Vergleich zum deutschen wesentlich großzügiger. So gibt es beispielsweise in den USA Dienstleister, die auf Wunsch Kontoauszüge und Vorstrafenregister von Personen ausfindig machen. Gläsern in den Augen der Industrie sind die Menschen in den USA auch in vielerlei anderen Gebieten.
Ein absoluter Gegenspieler zum amerikanischen Datenschutz ist Deutschland. Es gehört womöglich zu den wenigen Ländern, in denen ganz besonders strenge Datenschutzgesetze herrschen. Doch nicht nur das Gesetz, sondern auch das öffentliche Interesse an einer regelmäßigen Kontrolle des Datenschutzes ist in Deutschland überdurchschnittlich ausgeprägt. Und die Debatten über Datenschutz sind in Deutschland scheinbar endlos. Wer gegen die Datenschutzrichtlinien verstößt, steht unmittelbar im Fokus der öffentlichen Diskussion. Auch Google hat diese Welle der Empörung bereits sehr unangenehm zu spüren bekommen. Denn in Deutschland war beim Datenschutz Googles Geschäftsmodell ins Schwanken geraten wie in keinem anderen Land der Welt.
Illegale Datenweitergabe
Daten, die ursprünglich nach amerikanischem Recht erhoben wurden, finden immer wieder ihren Weg ins deutsche Rechtsgebiet. Vor allem in der Social-Media-Monitoring-Branche kommt es sehr häufig zu grenzüberschreitenden Weitergaben von Daten. Dies geschieht unter anderem dann, wenn Marktforscher Berichte aus den USA kaufen, die jedoch auf deutsche Websites und Portale zugegriffen haben. Bei dieser illegalen Datenweitergabe sind vor allem Social-Media-Monitoring-Anbieter vorne dabei. Denn amerikanische Monitoring-Technologien können von überall auf der Welt auf deutsche Webinhalte zugreifen und dort personenbezogene Daten und urheberrechtlich relevante Inhalte im eigenen Rechtsgebiet erheben. Diese Daten, die zunächst im amerikanischen Territorium bleiben, dürfen allerdings nicht ohne weiteres den Weg nach Deutschland finden. Im Grunde bedeutet das, dass ein amerikanischer Dienstleister für Social Media Monitoring, der Daten aus den USA erhebt und seine Server dementsprechend auch dort bereithält, seine Daten an einen deutschen Dienstleister nicht einfach weitergeben darf. Monitoring-Dienstleister und Konzerne, die auf solche Daten angewiesen sind, ist diese Tatsache allerdings oftmals unbekannt oder wird bewusst verschwiegen.
Datenerhebung
Vor allem Blogdaten sind es, die einige deutsche Monitoring-Dienstleister, darunter durchaus bekannte Medienbeobachter, aus den USA kaufen und in ihr Data Warehouse integrieren. Denn in den USA werben zahlreiche technische Dienstleister mit hohen Datenbeständen und bieten Blogdaten zahlenden Kunden auf der ganzen Welt an. Die Übertragung der Daten wird meist über eine Schnittstelle gewährleistet. Je nach Geschäftsmodell wird dann nach Datenmenge oder in pauschalen monatlichen Raten abgerechnet. Bereits dieser Bezug kann jedoch illegal sein, wenn die Blogdaten nach amerikanischem oder anderem Recht erhoben worden sind. Gleiches gilt auch für alle anderen Daten, wie beispielsweise Foren und Social Networks.
Die Motivation der deutschen Unternehmen, solche Daten zu kaufen, ist nachvollziehbar. Viel Unternehmen scheuen die große Investition, die es erfordert, wenn sie die riesigen Mengen an Social-Media-Daten mit einer eigenen Technologie erheben und bearbeiten müssten. Voraussetzungen sind nicht nur große Server und eine IT-Infrastruktur, sondern auch die notwendige Software. Auch die Dienstleister werden beim Bereithalten von großen Datenmengen, bekannt auch als Big Data, vor eine große Herausforderung gestellt. Der Kauf solcher Daten von US-Anbietern scheint daher die naheliegende Lösung zu sein. Für diese Methode spricht ferner, dass der Anbieter selbst bestimmen kann, wie viele Daten er zieht. Das hält seinen Datenbestand klein und gibt ihm die Möglichkeit, sich auf relevante Datenmengen, die von der Industrie benötigt werden, zu beschränken. Wenn dann jedoch solche Daten an ein anderes Unternehmen weiterverkauft werden, zum Beispiel in Form von Reports oder Dashboards, handelt das einkaufende Unternehmen oft illegal und verstößt gegen deutsche Gesetze.
Doch nicht nur der Kauf von Social-Media-Daten aus dem Ausland ist problematisch. Bereits die Benutzung illegaler Daten zu Analysezwecken gilt als Verstoß gegen deutsche Recht. Das passiert immer dann, wenn sich ein Unternehmen beispielsweise an Webportalen bedient, die ihren Sitz in den USA haben. Diese zu finden ist nicht besonders schwierig, da solche Portale, wie andere öffentliche Suchmaschinen, ihre Angebote, meist sogar kostenlos und mit Bannern finanziert, international anbieten.
Das auf Foren spezialisierte Portal Boardreader beispielsweise betreibt keine Server in Deutschland. Dort finden sich somit eine Menge Daten von Online Foren, die nicht in Deutschland erhoben wurden. Ein deutsches Unternehmen, das in amerikanischen Portalen recherchiert und illegale Daten für betriebswirtschaftliche Zwecke auswertet, handelt in vielen Fällen also illegal. Diese Beschaffung von Daten gilt als eventuell als illegale Datenkopie. Denn der Zugriff auf ein Portal über den Browser bedeutet, dass diese Daten im eigenen PC gelagert, also zwischengespeichert werden.
Ausnahmen
Zusammenfassend lässt sich das Rechtsmodell wie folgt beschreiben. Deutsche Monitoring-Dienstleister dürfen Daten aus ausländischen Quellen nicht beziehen, wenn diese Daten nicht dem deutschen Recht entsprechen. Dagegen ist es ihnen erlaubt, Daten unter anderem zu Marktforschungszwecken nach deutschem Recht selbst und mit eigenen Technologien zu erheben sowie diese eigenhändig erhobenen Daten unter bestimmten Umständen zu bearbeiten. Der Zugriff auf ausländische Quellen darf nur erfolgen, wenn die Daten dort das deutsche Recht berücksichtigen. Unternehmen, die solche Daten benötigen, sind genauso betroffen wie die Agenturen, die sie anbieten. Umstritten ist es, wenn sich in Deutschland ansässige Unternehmen an Reports im Berichtswesen, an Analyse-Tools wie Dashboards und an Cockpits sowie an Dienstleistungen wie handlungsanweisenden Beratungen und ähnlichem bedienen und illegale Daten die Basis stellen.
Die großen und bekannten Suchmaschinen haben es aufgrund der öffentlichen Bekanntheit nicht einfach und halten sich daher zwangsläufig an derartige Gesetze. Vor allem Suchmaschinen wie Google, Bing und Yahoo dürfen in Deutschland nur bestimmte Treffer anzeigen. Die Rechtskonformität wird gewährleistet, indem beispielsweise Google die IP eines deutschen Nutzers automatisch erkennt. Auf Basis dieses Zugriffs präsentiert Google somit auch nur auf ihn zugeschnittene, rechtskonforme Inhalte. Diese Methode wird insgesamt bei vielen großen IT-Anbietern vorgenommen. Amazon.com und ebay.com beispielsweise sperren Artikelangebote seit längerer Zeit, die gegen das deutsche Recht verstoßen. Deutsche Nutzer realisieren dies immer dann, wenn sie vom Ausland auf solche Inhalte zugreifen und andere Treffer erhalten als im eigenen Land.
Google hat diese Erfahrung in den vergangenen Jahren auf unangenehme Art machen müssen. Heute nimmt Google daher die deutschen Gesetze umso ernster. Dem deutschen Nutzer ist es derweil schon zur Gewohnheit geworden, dass er zu bestimmten Inhalten keinen Zugang hat. Zu nennen sind hierbei beispielsweise Google Maps und YouTube. Monitoring-Anbieter dürfen sich dementsprechend auch nur an solchen Suchmaschinen bedienen, die ihr Angebot auf das deutsche Rechtsmodell zugeschnitten haben.
Gleiches gilt auch für Facebook und Twitter. Diese Unternehmen dürfen ebenfalls Daten in Deutschland nur nach deutschem Recht anbieten. Monitoring-Anbietern und Konzernen ist es dementsprechend also ebenfalls nur gestattet, auf jene Daten zugreifen, die auch in Deutschland zugelassen sind. Umstritten ist daher der Kauf von
Facebook- und Twitter-Daten von externen Dienstleistern über Schnittstellen (APIs aus dem Ausland). Dort ist es nicht ungewöhnlich, auch Daten von Social-Network-Usern anzubieten, die der Nutzer ausdrücklich als privat gekennzeichnet hat.
Indizien
Grundsätzlich haben Unternehmen erst dann eine gute Rechtssicherheit, wenn die Datenerhebung und -bearbeitung ausschließlich in Deutschland stattfinden. Das betrifft vor allem die Monitoring-Technologie selbst. Server und Infrastruktur sollten möglichst auf deutschem Boden liegen und somit nach deutschem Recht mit Daten umgehen. Voraussetzung ist hierbei eine eigene Infrastruktur und der Verzicht auf den Kauf von externen und unzuverlässigen Daten aus dem Ausland. Betreibt der Datenanbieter seine Server nicht in Deutschland, ist Skepsis angebracht.
In den meisten Fällen ist die Beschaffung der Daten, zum Beispiel mit einem amerikanischen Crawler, nicht an das deutsche Recht gebunden. Deutsche Website-Betreiber haben also keine Rechtsgrundlage für Beschwerden gegen solche Datensammler, seien es Monitoring-Suchmaschinen oder sonstige Zugriffe. Erboste Emails und Rechtsanwaltsbriefe aus Deutschland führen hier in der Regel zu keinerlei Konsequenzen.
Ein weiteres Indiz für den illegalen Datenhandel ist die Tatsache, dass der größte Absatzmarkt vieler amerikanischer Monitoring-Anbieter nicht Deutschland oder Europa ist. Der immense Aufwand, sich an deutsche Gesetze zu halten, steht für diese Anbieter in keinem Verhältnis zum Absatz. Hinzu kommt, dass sich die Gesetzeslage in Deutschland so rasant wie in fast keinem anderen Land ändert und für die amerikanischen Anbieter ein Überblick nur unter Einbezug spezieller Rechtsabteilungen möglich ist. Allein eine dauerhafte Beauftragung einer deutschen Anwaltskanzlei würde den Anforderungen entsprechen – zu kostenaufwändig für fast jeden amerikanischen Monitoring-Anbieter. Ein weiterer Grund, das deutsche Gesetz zu ignorieren, ist dann gegeben, wenn solche speziellen Anbieter nicht in der öffentlichen Diskussion stehen wie beispielsweise Google. Social Media Monitoring ist derzeit noch ein zu spezieller Bereich, so dass Behörden, Presse und Wettbewerber ihre Aufmerksamkeit dem Thema derzeit noch nicht vollständig gewidmet haben.
Presseclippings
Ein weiterer Sonderfall sind die Presseclippings. In Deutschland müssen Anbieter für Presseclippings sowohl für Print als auch für Online-Medien an die Presse spezielle Abgaben zahlen, unter anderem an die VG Wort. Social-Media-Monitoring-Dienstleister, die Daten aus Pressedatenbanken ohne die Erlaubnis erheben, verstoßen also auch gegen das Urheberrecht.
Im Bereich Presseclippings gibt es erfahrungsgemäß zahlreiche Datenhosts. Wenn Unternehmen mit diesen Hosts Verträge schließen, so geschieht das meist nach deutschem Recht. Auch Monitoring-Anbieter, die an solchen großen Hosts andocken, werden in der Regel Teil einer Abgabeordnung, an die sich auch der Host halten muss. In diesem Fall werden Abgaben gezahlt und die gekauften Pressedaten sind als legal zu bewerten.
Mittlerweile haben sich allerdings zahlreiche ausländische Anbieter am Markt platziert und bieten online Pressedaten aus allen Ecken der Welt an. Statt sich also an einem deutschen Host dranzuhängen ist für einen deutschen Medienbeobachter die Verführung groß, Pressedaten inklusive deutscher Artikel vom Ausland zu beziehen. Abgaben an die VG Wort werden in diesem Fall oft umgangen, was die Nutzung der Daten in Deutschland urheberrechtlich untersagt. Denn der Verwerter darf selbst bestimmen, was mit seinen Daten geschieht.
Eine weitere Möglichkeit ist, Daten direkt aus den Online-Quellen der Nachrichtenportale zu beziehen. Selbst Monitoring-Dienstleister mit einem eigenen Crawler können auf diese Weise Artikel von Nachrichtenportalen erhalten, zum Beispiel aus faz.de und spiegel.de. Auch dies verstößt unter Umständen gegen das Urheberrecht. Der Weg von Social-Media-Daten zu Mediendaten ist also nicht ohne weiteres zu vollziehen und ist daher nicht gleichzusetzen mit dem Recht, Foren, Blogs und Social Networks indexieren zu dürfen. Daher kommen auch deutsche Monitoring-Dienstleister nicht immer drum herum, sich am Rechtsmodell der großen Pressemonitoring-Anbieter anzuklinken.
Fazit
Unternehmen, die Rechtssicherheit haben wollen, benötigen also bei der Datenbeschaffung größtmögliche Transparenz. Datenanbieter und Social-Media-Monitoring-Dienstleister sollten offenlegen, aus welchen Quellen sie sich bedienen und nach welchen Methoden sie Daten erheben. Beispielsweise muss ersichtlich sein, ob der Anbieter Daten von anderen Resellern bezieht, wie beispielweise von ausländischen Blog-, Foren- und Social-Network-Datenbanken, oder eben eigene Technologien im Einsatz hat.
Grundsätzlich sollten Monitoring-Anbieter in Deutschland über einen eigenen Datenschutzbeauftragen verfügen, an den sich die Unternehmen wenden können, wenn sie Auskünfte über die angenommenen Daten wünschen. Auch ist es möglich, bei deutschen Monitoring-Dienstleister eine Datenschutzerklärung zu verlangen, um zu prüfen, ob dort die Form der Datenerhebung auch ausreichend formuliert ist. Führen solche Anfragen zu keinem Ergebnis oder ist die Erklärung der Anbieter über die Datenherkunft ungenügend, ist grundsätzlich Vorsicht geboten.
Bislang konnte sich die Branche beim Sammeln von Daten relativ unbeschwert verhalten. Nach und nach werden allerdings auch Stimmen gegenüber ausländischen Monitoring-Dienstleistern laut. Die Kölner Anwaltskanzlei Solmecke hat im Beck-Verlag erst kürzlich einen ausführlichen juristischen Bericht mit dem Titel „Rechtliche Situation von Social Media Monitoring-Dienstleistern“ veröffentlicht. Die ersten Monitoring-Anbieter berichten von Anfragen seitens der Presse, die explizit Auskünfte über die Datenherkunft verlangen.
Doch nicht die Monitoring-Anbieter selbst stehen im Grunde in der Schusslinie – vor allem dann nicht, wenn sie ihren Hauptsitz ohnehin im Ausland haben. Bedeutend ist das Thema stattdessen vor allem für Konzerne, die Daten illegal einkaufen und auf einen ausländischen Monitoring-Dienstleister zurückgreifen, zum Beispiel aus Kostengründen. Unternehmen, die ihr Image in Deutschland pflegen müssen, können sich jedoch einen Shitstorm nicht leisten. Der Monitoring-Anbieter kann sich dagegen leicht aus der Verantwortung ziehen. Gemäß dem amerikanischen Recht ist er schließlich gesetzeskonform. Wer aus dem Ausland illegal einkauft, haftet nun mal selbst für seine bestellte Ware. Das gilt nicht nur für Medikamente oder Waffen, sondern auch für Daten.