von Dr. William Sen
digitalwelt-Kolumnist für strategisches Social Media Management
mit Zeichnungen von D. Ernenputsch
Die Grundsätze des Managements und Marketings werden mit Social Media aufgehoben
Quatsch mit Soße! Diese „alten Weisheiten“ des betriebswirtschaftlichen Denkens gilt es trotz der sich verändernden Marktverhältnisse weiterhin aufrecht zu erhalten. Dabei dürfen aber gleichzeitig innovative und sogar experimentelle Wege nicht außer Acht gelassen werden. Es heißt, den Spagat zwischen altem und neuem Wissen erfolgreich zu verbinden. Dies ist für die meisten Unternehmen keine leichte Aufgabe.
Oft gibt es in Unternehmen zwei Gegensätze zu beobachten. Die konservativen Alteingesessenen versuchen ihr etabliertes Wissen auf das neue Medium so unflexibel wie möglich zu transferieren. Das resultiert oft in Budget Cuts, langsamen Prozessen und als Bremse für innovative Projekte. Auf der anderen Seite starten vor allem junge und dynamische Manager im Glauben an das neue Medium ungesteuert neue Projekte in Social Media. Dabei wird vergessen, dass sich Unternehmen weiterhin Gedanken über Kennzahlen und Steuerung machen müssen. Wer behauptet, dass alles transparenter geworden ist und die Kommunikation im Social Web nur noch ehrlich sein muss, spricht dann eine sinnlose PR-Sprache, die im professionellen Unternehmensumfeld jedoch nichts zu suchen hat. Social Media Management braucht einen Mittelweg.
Social Media braucht Ziele
Witzbold! Das ziellose Umherirren und planlose Vorwärtsstolpern setzen wohl Berater grundsätzlich in jedem Unternehmen voraus. Warum sonst müssen sich Manager von Social-Media-Experten den Standard-Spruch anhören: „Sie brauchen Ziele“? Die passende Antwort dazu könnte jedoch heutzutage folgendermaßen lauten: „Vielen Dank, Professor Neunmalklug, aber die Ziele eines Unternehmens werden grundsätzlich von Strategen und dem Top-Management festgesetzt. Wer diese Ziele nicht kennt und trotzdem im Unternehmen mit einem Social Media Engagement beauftragt wurde, ist entweder ein Praktikant oder ein Luftloch in einer betriebswirtschaftlichen Organisation“.
Den Satz sollte sich heute kein Berater mehr leisten können, der sein Gegenüber ernst nimmt. Mittlerweile dürfte allen Unternehmen bewusst sein, dass ein Social Media Engagement genauso wie alle anderen Projekte im Unternehmen Ziele benötigt. Der Satz hat den gleichen Stellenwert wie „Vertrieb ist das A und O“ oder „Gewinn zählt“.
Social Media verändert alles
Papperlapapp! Veränderungen am Markt gibt es, seit es den Markt gibt. Dass Veränderungen mittlerweile immer schneller geschehen und der Markt komplexer geworden ist, ändert nichts an der Tatsache, dass sich Unternehmen trotzdem anpassen müssen. Anpassung ist das höchste Grundprinzip einer betriebswirtschaftlichen Organisation. Wer das nicht kann, wird langfristig nicht überleben, das hat die Geschichte immer wieder gezeigt. Selbst Giganten früherer Zeit, deren Ableben man angesichts ihrer Größe nie geglaubt hätte, verabschiedeten sich aufgrund ihrer unflexiblen Haltung für Veränderungen am Markt.
Die Aussage „alles hat sich verändert“ kann sich ein Entscheider daher nicht leisten. Wer sich Veränderungen nicht stellt, darf sich streng genommen gar nicht erst Unternehmer nennen.
Wir brauchen mehr Fans
Nonsense! Wir brauchen keine Fans. Produkte brauchen Käufer. In letzter Zeit hat sich eine neue Diskussion entfacht: Fans, die man durch Gewinnspiele auf seiner Plattform anwirbt, entpuppen sich nicht unbedingt immer als Befürworter des Produktes. Schnäppchenjäger, Zeitvertreiber und Gelegenheitssurfer des Webs können sogar ein negatives Image über das Unternehmen verbreiten. Mehr noch: Eine große Schar sogenannter Fans kann auf der eigenen Fan Page für einen Shitstorm sorgen, wie es sich jüngst u. a. auf der Facebook Fan Page von Vodafone gezeigt hat.
Man sollte ohnehin den Begriff „Fans“ kritisch hinterfragen. Vor allem bei Facebook handelt es sich um die Ausnutzung eines etablierten Begriffs, der etwas anderes ist als das, was Facebook darunter versteht. Der Begriff Fan soll den Anschein erwecken, es handele sich um Befürworter. Tatsache ist jedoch, dass das Betätigen eines „Like“-Buttons jemanden nicht zum Fan macht, sondern lediglich zu einem Besucher und Abonnenten eines bestimmten Themas oder Produktes. Am Ende kann das Unternehmen nicht wissen, wer diese Person ist und welche Intensionen sie verfolgt.
Die Simplicity, die das „Like“ von Facebook ausmacht, hat auch einen Nachteil: Die Messung und Unterteilung von Besuchergruppen werden erschwert. Die Beschränkung auf einen einzigen Button macht die Unterscheidung der Besucher einer Facebook Page für Unternehmen schwierig. Als wäre dieses Problem nicht genug, steht die wesentliche Frage am Ende noch offen: Was nützt mir das alles schließlich, wenn ich mein Produkt nicht verkaufen kann?
Kein Budget ohne ROI
Albern! Auch wenn ein ROI nicht nachgewiesen werden kann, heißt es nicht, dass es ihn nicht gibt. Kennzahlen und KPIs für Social-Media-Aktivitäten und -Kanäle sind rar gesät, was den falschen Eindruck vermittelt, es gäbe kein ROI in Social Media. Tatsache ist jedoch, dass ein ROI vorhanden ist – die meisten Unternehmen wissen derzeit noch nicht, wo sie danach suchen sollen. Der Entscheider hat damit ein grundsätzliches Problem. Er braucht Zahlen und Messwerte, um seinen Erfolg nachzuweisen und das Budget rechtfertigen zu können. Wenn allerdings das Budget für Social Media aufgrund von fehlenden Kennzahlen gekürzt wird, schaufelt sich das Unternehmen im Grunde mit jedem Cut sein eigenes Grab.
Der bedrückende Umstand, dass standardisierte Kennzahlen in diesem Bereich oft fehlen, geht darauf zurück, dass sie nicht kostenlos verfügbar oder nicht in irgendwelchen Büchern dokumentiert sind. Die meisten Unternehmen sammeln bereits jetzt ihre Nuggets, ob mit oder ohne ROIs. Früher oder später werden sich Kennzahlen überall etablieren. Wer erst dann das Budget freigibt, hat den Zug bereits verpasst. Die First Mover werden dann einen nicht mehr aufholbaren Vorsprung mit ihrem Social-Media-Wissen haben und den Pot des Marktes abräumen. Spätestens dann hat der Budget-Verantwortliche bewiesen, dass er statt eines Strategen eher den Ruf eines konservativen Buchhalters und Innovationsstoppers verdient hat.
Social Media braucht eine Strategie
Quark! Diese Aussage macht aus betriebswirtschaftlicher Sicht keinen Sinn, denn sie ist viel zu unklar. Weitaus logischer ist es zu sagen, dass Social Media Teil einer Strategie sein sollte. Denn jedes Unternehmen hat eine Strategie, die aus vielen kleineren, sogenannten multidimensionalen Zielen besteht. In diesem Gesamtgefüge gibt es verschiedene Instrumentarien, die für das Erreichen dieser Ziele zum Einsatz kommen können. Und eines dieser Werkzeuge ist auch ein Social Media Engagement. Demnach hat also das Unternehmen eine Strategie und Social Media ist einer der vielen unterstützenden Säulen auf dem Weg zum Ziel. Dementsprechend müsste der Satz korrekt lauten: „Social Media muss die Strategie des Unternehmens unterstützen“. Voraussetzung ist natürlich, dass diese Strategien dem ausführenden Social-Media-Team bekannt sind.
Andererseits muss auch ein Social Media Engagement langfristig geplant werden, d. h. das Unternehmen muss sich Gedanken über die langfristige Erhaltung seines Social-Media-Projektes machen. Wir reden dann allerdings nicht mehr von einer Strategie, sondern eher von nachhaltigen Prozessen.
Viele selbsternannte Social-Media-Berater verwenden diesen Satz derweil sehr häufig und wissen oft nicht, was eigentlich eine Strategie im betriebswissenschaftlichen Sinne wirklich bedeutet. Aber zugegeben, der Satz klingt zunächst einmal richtig gut.
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Dr. William Sen
digitalwelt-Kolumnist für strategisches Social Media Management
Dr. William Sen ist u. a. Gründer des ersten staatlich zertifizierten Lehrgangs zum Social Media Manager (TH Köln) sowie Chefredakteur des ersten Social Media Magazins in Deutschland.
Als Lehrbeauftragter lehrte er u. a. an der TH Köln in den Bereichen Social Media Management, eEntrepreneurship, Digital Publishing, Communication Controlling und strategisches Marketing. Dr. William Sen lebt und arbeitet in San Diego, Kalifornien.