von Katja Kupka
Das Social Web kommt Non Profit Organisationen (NPOs) sehr gelegen. Bereits ein kleines Budget reicht für gute Sichtbarkeit und authentische Dialoge – Engagement und Kompetenz der Mitarbeiter und Ehrenamtlichen vorausgesetzt.
Statt sich in Abhängigkeit von Agenturen begeben zu müssen, die zu kleinem Preis oder gar pro bono Social Media Marketing für NPOs anbieten, können die gemeinnützigen Organisationen meist selbstständig loslegen. In größeren NPOs werden mittlerweile sogar häufig mehrere hauptamtliche Mitarbeiter für Social Media abgestellt. Manch andere Branche könnte sich am Non-Profit-Bereich ein Beispiel nehmen.
Die Gründe für das Engagement von NPOs in Social Media sind vielfältig. Wiederholt genannt werden:
- Erhöhung des Bekanntheitsgrades, gerade auch bei jüngeren Zielgruppen
- Schnelle Verbreitung aktueller Inhalte
- Aufklärung und Information
- Interaktion auf Augenhöhe mit ihren Stakeholdern
- Bessere Zusammenarbeit mit Journalisten
- Das Gewinnen neuer Unterstützer und Förderer
Social Media zu nutzen, um Spendengelder zu generieren, wird von einigen Organisationen noch zurückhaltend eingesetzt, mitunter, weil es organisatorisch vom Online-Fundraising getrennt ist. Im Bereich Employer Branding sind die Aktivitäten der meisten NPOs bis jetzt verhalten; sie haben es aber häufig bereits auf der Agenda.
Interessant zu beobachten ist in jedem Fall, dass nicht zwangsläufig ein gut eingeführter Name zu hohem Feedback im Social Web führt. Einige Organisationen, die lange existieren und über einen stattlichen Bekanntheitsgrad verfügen, müssen aufpassen, dass sie sich nicht zu sehr auf diesen Lorbeeren ausruhen, sondern regelmäßig im Social Web aktiv sind, um mit bestehenden und neuen Zielgruppen zu interagieren.
Facebook, Twitter – was noch?
Besonders häufig nutzen NPOs bislang Facebook und Twitter. Auf Facebook versuchen sie, unter anderem ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Spender für ihr Anliegen zu interessieren. Jona Hölderle hat sich auf Social-Media-Beratung im nicht-kommerziellen Bereich spezialisiert und ergänzt: „Schaut man sich die knappen Ressourcen vieler NPOs an, ist es sicherlich sinnvoll, sich erst einmal auf ein Netzwerk zu konzentrieren. Bei Facebook ist es am wahrscheinlichsten, dass sich ein Teil der Zielgruppe dort aufhält.“
Bereits gut ein Jahr nach der Gründung von Twitter waren Care und Greenpeace vertreten. Greenpeace hat es bei mehr als 6.000 Tweets inzwischen auf knapp 100.000 Follower gebracht. Natürlich kommt es nicht nur auf die Zahl der Follower an, sondern auch auf die Frage, wer dem Informationsstrom lauscht. Twitter erleichtert Kontakte zu den Medien. Astrid Bracht von Terre des Femmes erklärt hierzu: „Durch die Kommentierung des aktuellen Tagesgeschehens aus frauenrechtlicher Sicht werden über Twitter die Medien auf uns aufmerksam. So kann durch einen Tweet ein Interview entstehen.“
Einige NPOs nutzen zum Beispiel ebenso YouTube, Flickr, Google+ oder Pinterest. Selbst auf Ello finden sich bereits die ersten gemeinnützigen Organisationen wie beispielsweise der WWF. Mit einigen Blogs sind ebenso einige aktiv. Besonders reizvoll wird es, wenn die Ehrenamtlichen mit ihren unterschiedlichen Themen, Aufgaben und Blickwinkeln authentische Beiträge für den Blog liefern. Hier finden sich schöne Beispiele bei Care, Misereor und Amnesty International.
Dr. Rebecca Belvederesi-Kochs, Organisatorin des Non-Profit-Camps, empfiehlt NPOs in jedem Fall über ein eigenes Blog nachzudenken – alleine schon aus Gründen der gesteigerten Auffindbarkeit bei Google und dem Agenda-Setting. Trotzdem müssen gerade kleinere Organisationen aufpassen, dass sie sich nicht verzetteln, oder wie Belvederesi-Kochs es ausdrückt: „Die Öffentlichkeitsarbeit will gut organisiert sein, um effektvoll zu sein.“
Die Königsdisziplin nach einem Blog könnte der Aufbau eines eigenen Social Networks sein, wie es beispielsweise „naturgucker.de oder „washa-bich.de vorgemacht haben. Somit verfügen die Organisationen stets über das Hausrecht und verringern die Abhängigkeit von externen Netzwerken.
Social-Media-Strategien
Bei der Betrachtung von NPOs drängt sich die Frage auf, ob sie die Kapazitäten und das Interesse haben, ihre Social-Media-Arbeit strategisch anzugehen. Umso erfreulicher zu erfahren, dass sich beispielsweise der Deutsche Caritasverband mitten in einem umfangreichen Projekt befindet, das zum Ziel hat, die Kommunikation der Organisation im Social Web strategischer auszurichten inklusive professionellerem Monitoring und einer Krisenstrategie. Bereits heute verfügt die Caritas über eine sehr ansprechende Social Media Guideline, die im öffentlichen Dialog entstand.
Auch in vielen anderen Organisationen sind Begriffe wie Social Media Guideline, So-cial Media Monitoring oder Content Marketing keine Fremdworte mehr und eine strategische Auseinandersetzung mit Social Media findet bereits schon seit längerem statt.
Die Kommunikation einiger NPOs im Social Web ist mittlerweile hoch professionell und zeigt, dass sie ihre Lektionen in Sachen Content Marketing und Storytelling gelernt haben.
Mehr Transparenz für Spender durch Social Media?
Da gemeinnützige Organisationen traditionell unter genauer Beobachtung stehen, wofür sie Spenden verwenden, muss sich das Engagement auch auszahlen. Ein beeindruckendes Beispiel liefert hierzu Sabine Freude, Leiterin Marketing bei der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei. Bei den Online-Registrierun-gen für Stammzellspender zeigt sich Social Media eindeutig als der Kanal, über den die meisten Registrierungen zustande kommen. Mehrheitlich geschieht dies über Facebook, dessen Posts auf Viralität, Aktivierung oder Aufklärung abzielen.
Die Zahl an Organisationen, die sich den Spendenkuchen in Deutschland aufteilen, ist fast schon unüberschaubar groß. Daher wünschen sich potenzielle Unterstützer Anhaltspunkte, um festmachen zu können, welche NPO besonders förderwürdig ist.
Das Internet und ganz besonders Social Media bietet hierzu viel Transparenz. Durch Erfahrungsberichte, Kommentare und Bewertungen können Ehrenamtliche und Förderer öffentlich Informationen und Meinungen austauschen. Wer es lieber mit konkreten Zahlen belegt und durch eine objektive Prüfung bestätigt haben möchte, setzt möglicherweise eher auf Spendensiegel oder bevorzugt Organisationen, die sich von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft begutachten lassen. Ein klassisches Spendensiegel wird seit über 20 Jahren vom Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) vergeben und ist für die NPOs kostenpflichtig. Das DZI erstellt auch kostenfreie Basisauskünfte zu regelmäßig nachgefragten Organisationen. DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke erkennt die neue Form des Dialogs im Social Web an, sieht sie aber eher als Ergänzung, und somit das Spenden-Siegel durch Social Media nicht in seiner Existenz bedroht. Viele Menschen sind nach wie vor dankbar, dass das DZI die große Menge an Informationen über gemeinnützige Organisationen sammelt, sinnvoll bewertet und zu einer objektiven Einschätzung verdichtet.
Spendenplattformen wie betterplace und Social Shopping Angebote werden vom DZI beobachtet, unterliegen bislang aber noch keinem etablierten Beurteilungsverfahren, wie es für die NPOs entwickelt wurde.
Als kritischer Punkt beim DZI-Spendensiegel werden mitunter die anfallenden Kosten gesehen. Hierzu trat Phineo als kostenfreier Anbieter in Konkurrenz und empfiehlt mittlerweile 184 Organisationen. Der Blickwinkel von Phineo ist darauf gerichtet, wie wirkungsorientiert das Projekt ist und wie solide die dahinter stehende Organisation. Allerdings werden nicht alle Organisationen geprüft, sondern nur jene, die im jeweils aktuellen Projekt-Fokus von Phineo liegen. Somit stellt es derzeit nur eine eingeschränkte Alternative zum DZI-Spendensiegel dar.
Social Media Monitoring
In einem Punkt könnten sich manche NPOs noch stärker professionalisieren. Im Social Media Monitoring wird vielfach von der Hand in den Mund gelebt. Meist hantieren die NPOs manuell mit den applikations-eigenen Auswertungs-Tools, wobei den Kanälen immer dann besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, wenn sie potenziell kritische Posts veröffentlichen. Je nach personeller Stärke des Social Media Teams ist eine 24/7 oder Überwachung möglich.
Social Media Monitoring können NPOs jedoch vielfältig nutzen. Neben der Überwachung aufkommender Krisensituationen bietet es die Chance, sich in Diskussionen einzubringen, die auf anderen Plattformen geführt werden. Darüber können Kontakte zu den Medien oder neuen Unterstützern entstehen. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich von Aktionen anderer NPOs inspirieren zu lassen oder Kooperationen auszuloten.
Krisenkommunikation bei NPOs
Menschen, die besonders auf heikle politische Themen kontrovers reagieren, gab es schon immer. Früher bedeutete dies zu vermeiden, dass Polemiker am Infostand eine Plattform bekamen, um ihre aggressiven Thesen zu vertreten. Schlimmstenfalls bildete sich um diese Person eine kleine Menschentraube auf der Fußgängerzone. Heutzutage verteilen sich Inhalte durch Teilen und Kommentieren in Windeseile und werden einer unkontrollierbaren breiten Öffentlichkeit zugänglich. Dann sind neben einem sorgfältigen Monitoring schnelle und durchdachte Reaktionen gefragt, um die Lage zu deeskalieren. Mit etwas Geschick kann die Organisation einen solchen Shitstorm nutzen und durch eine klug und transparent geführte Diskussion sich als Informationsquelle und seriöser Gesprächspartner positionieren.
Die Tierrechtsorganisation PETA hat naturgemäß das Problem, immer wieder zu polarisieren. Daher hat sie schon vor Jahren Antworten auf alle möglichen Kritikpunkte in Form von FAQs formuliert. Dies hilft, mit entsprechenden Verweisen schnell reagieren zu können, wie Jobst Eggert von PETA erklärt.
Das ist eine Möglichkeit, auf Krisen schnell und effizient zu reagieren. Definierte Routinen im Falle einer Kommunikationskrise haben bislang die wenigsten gemeinnützigen Organisationen in der Schublade liegen. Trotzdem gibt es in einigen NPOs bereits informelle Absprachen, so dass die Mitarbeiter wissen, wie sie in kritischen Situationen reagieren sollten. Sofern Social Media Guidelines bereits existieren, behandeln sie üblicherweise auch Krisenkommunikation.
Neben der Bereitstellung einer solchen Guideline sind auch Schulungen hilfreich. Hier gibt es sogar bereits NPOs, die ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter schulen, zumindest dann, wenn sie vergleichsweise wichtige Positionen innehaben.
Ehrenamtliches Engagement
Die Art und Weise, wie sich Menschen gemeinnützig engagieren wollen, hat sich verändert. Früher blieben sie ihrem Sportverein, ihrer Kirchengemeinde oder dem Kleintierzuchtverein über längere Zeit verbunden. Das gibt es heute auch noch und einige NPOs haben nach wie vor keine Probleme, Ehrenamtliche zu gewinnen und zu binden.
Dennoch wollen heute viele Menschen lieber zeitlich befristet und über die Mitarbeit in konkreten Projekten tätig werden. Somit muss sich das Angebot an ehrenamtlicher Arbeit der Nachfrage anpassen. Die Einstiegshürde sollte möglichst niedrig sein und die zu übernehmende Aufgabe idealerweise zunächst zeitlich befristet. In dem Zusammenhang spricht man auch von Micro-Volunteering, das über Plattformen wie betterplace.org, helpedia.de, helpteers.net oder change.org von vielen NPOs einmalig oder wiederholt nachgefragt wird. Daneben gibt es Ehrenamtsbörsen und digitale Freiwilligen-Daten-banken sowie lokale Freiwilligen-Agenturen.
Durch diese neue Form der Zusammenarbeit können interessante Kooperationen entstehen. So hat beispielsweise der WWF von einer Studentin qualitativ hochwertige Videos bekommen. Sie hat Artikel der WWF-Website in Gebärdensprache übersetzt. Statt über fehlendes gesellschaftliches Engagement zu lamentieren, können die NPOs die Chancen nutzen, die über Micro-Volunteering-Tools und Beteiligungsmodelle im Netz möglich sind. Melanie Gömmel vom WWF drückt es so aus: „Es kann auch Sinn machen, die Aufgaben so einfach aufzubereiten, dass sie von den Nutzern ohne großen Aufwand umgesetzt werden können; zum Beispiel Status-Updates spenden via justcoz, Widgets im eigenen Blog bereitstellen etc.“
Ein anderer Aspekt ist, dass verstärkt ein Geben und Nehmen gewünscht wird. Wer sich engagiert, möchte einen Job machen, der ihm Spaß macht, in dem er seine Fähigkeiten gut einbringen und vielleicht etwas lernen oder ausprobieren kann. Zudem sollte die unentgeltliche Mitarbeit natürlich entsprechend gewürdigt werden. Mittlerweile werden gemeinnützige Organisationen sogar gelegentlich mit dem Wunsch nach einem Zeugnis für das Ehrenamt konfrontiert. Den Mitarbeitern reicht es nicht, am Ende des Lebenslaufs etwas zu ihrem Ehrenamt zu sagen, sie wollen diese Tätigkeit als gleichberechtigt neben ihrer beruflichen Laufbahn sehen.
Das klingt zunächst anstrengend, offeriert den NPOs bei näherer Betrachtung jedoch eine große Chance. Menschen mit hoher Qualifikation und vielseitiger Kompetenz sind bereit mitzuarbeiten, um beispielsweise ihre Kenntnisse als Programmierer, Übersetzer oder Grafiker einzubringen. Sie lassen sich zwar vielleicht weniger leicht dazu überreden, bei Wind und Wetter am Infostand auf der Fußgängerzone zu stehen oder einen Kuchen für die Vereins-Weihnachts-feier zu backen.
Doch die Zeit der ehrenamtlichen Infostände ist ohnehin rückläufig. In den Fußgängerzonen der Großstädten trifft man meist nur noch auf professionelle Werber, die von Agenturen kommen. Allerdings lassen sich Informationen und Appelle immer zielführender und effizienter über So-cial Media verbreiten und auch das Einwerben von Spenden ist über diesen Weg bereits möglich.
Die Befragung der hier genannten und weiterer NPOs zeigte, dass sie Social Media als wichtigen Bestandteil ihrer Kommunikationsstrategie identifiziert haben, wenn auch manche bereits weiter fortgeschritten sind als andere.
Für die Interviews bedanken wir uns bei:
- Dr. Rebecca Belvederesi-Kochs, Geschäftsführerin der Agentur Social Media Aachen
- Astrid Bracht, Referentin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei TERRE DES FEMMES
- Jobst Eggert, Manager Online-Kommunikation bei PETA Deutschland e.V.
- Sabine Freude, Leiterin Marketing bei der DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei
- Melanie Gömmel, Social Media Redakteurin bei WWF Deutschland
- Jona Hölderle, Social Media Berater im nicht-kommerziellen Bereich
- Dorothée Quarz, Referentin im Bereich Presse und Social Media beim Deutschen Caritasverband e. V.
- Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI)