von Jan Krömer
Innovationen, die bereits bestehende Produkte, Dienstleistungen oder Technologien vollständig verdrängen, werden als disruptive Technologien bezeichnet.
Zu Beginn sind sie den etablierten Produkten noch unterlegen. Meistens werden sie unterschätzt und belächelt. Die Großen der Branche nehmen sie nicht ernst und machen weiter wie gewohnt. Dies rächt sich jedoch, sobald die disruptive Technologie Fahrt aufnimmt, neue Märkte kreiert werden, die Preise fallen und die Nutzermasse einen kritischen Punkt überschreitet. Die bestehenden Produkte werden dann unweigerlich aus dem Markt gedrängt.
Die Digitalisierung und die weltweite Vernetzung durch das Internet sind in vielerlei Hinsicht starke, disruptive Technologien. Die Bedeutung von Mittlern wie Verlagen ist im Netz weitaus geringer als in der „Kohlenstoffwelt“. Aufgrund minimaler Distributionskosten können Inhalte und Dienstleistungen im Web auch kostenlos angeboten werden. Dies hat weitreichende Auswirkungen: Digitale Downloads verdrängen physische Tonträger. Wikipedia entmachtet die klassischen Enzyklopädien.
Gedruckte Zeitungen verlieren gegenüber alternativen Online-Angeboten rasant an Auflage. Buchhändler schließen, während der E-Book-Markt boomt. Videotheken verschwinden zugunsten von Streaming-Angeboten aus dem Web. Ganze Geschäftsmodelle und Branchen brechen zusammen. Der Prozess einer disruptiven Innovation kann Jahre dauern, doch sobald er erkennbar wird, kommt Panik bei den etablierten Unternehmen auf.
Diese wehren sich mit den Waffen, die ihnen zur Verfügung stehen. Häufig stammen diese noch aus einer anderen Welt. Und daher sind Urheberrecht und Datenschutz in Social Media aktuell wie noch nie. Das Internet ist zu einem Kriegsschauplatz geworden. Unternehmen, Lobbyverbände, Politiker und Bürger kämpfen für ihre Interessen. Es entstehen komplexe Geschäftsmodelle, nicht nachvollziehbare Gesetze und wirre Ideen aus allen Richtungen. Wer vor einigen Jahren noch Datenschützer war, ist sich heute nicht mehr sicher, welche Seite er vertreten soll.
Vehemente Gegner von Schwarzkopien finden sich plötzlich als Wähler der Piratenpartei wieder. Moderne Unternehmen und alte Bekannte wie ARD und ZDF unterzeichnen zwielichtige Verträge wie ACTA, gegen die hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Die Zukunft wird neu geordnet – und wir sind mittendrin.
Dieser Beitrag erschien als Editorial im Social Media Magazin, Ausgabe 2012-II.