von Sarah Weidner
Jeder, der sich regelmäßig im Web bewegt und Kommentare liest, kennt ihn: den Troll. Ein Troll ist eine Person, die Diskussionen im Internet stören möchte. Und das um jeden Preis. Wie dies geschieht ist unterschiedlich, denn jeder Troll trollt auf seine eigene, ganz persönliche Weise.
Mancher Internettroll trollt subtil, ein anderer grob und plump. Ein anderer wiederum trollt mit Strategie, während ein weiterer Troll ohne sich über die Konsequenzen Gedanken gemacht zu haben einfach drauflostrollt. Das Ziel bleibt jedoch immer das Gleiche: stören, provozieren, die Nutzer zur Weißglut bringen.
Der Begriff „Troll“ stammt nicht, wie oft vermutet, aus der nordischen Mythologie, sondern vom Angelsport „trolling with bait“ (zu deutsch: „Schleppangeln“). Beim Schleppangeln wird der Angelköder hinter ein fahrendes Boot ins Wasser geworfen und so lange hinterher gezogen, bis ein Fisch anbeißt. Der Begriff „trolling“ leitet sich also aus dem Vorgang des Köderns ab, welcher über einen längeren Zeitraum erfolgt. Eine Person, die trollt, benutzt diese Strategie des Schleppangelns, indem sie eine Community oder Einzelpersonen mit Beiträgen immer wieder auf sich aufmerksam macht und somit ködert. Dieser Vergleich wurde erstmals im Jahre 1995 innerhalb einer Usenet-Gruppe dokumentiert, in der das Thema „Hoch-zeiten“ diskutiert wurde.
Warum ein Troll so viel Energie und Passion aufbringt, nur um andere Nutzer zu verärgern, ist bisher nicht geklärt. Fakt ist jedoch, für einen Troll ist das Trollen ein Spiel. Allerdings ein Spiel, in dem nur er die Spielregeln kennt und sie jederzeit nach Lust und Laune ändern kann.
Die genauen Motive eines Trolls könnten theoretisch nur herausgefunden werden, wenn ein Troll nach ihnen befragt wird. Jedoch wird hier schnell klar, dass diese Aufgabe fast unmöglich erscheint.
Die erste Schwierigkeit besteht darin, einen Troll zu finden, welcher freiwillig einer Befragung zustimmt. Wenn diese Schwierigkeit überwunden ist, lauert direkt eine weitere: Der Troll wird vermutlich innerhalb des Interviews trollen. Denn genau das ist es, was er liebt und kann. Um eine Theorie über die Beweggründe eines Trolls aufzustellen, würden eine Reihe von Interviews mit verschiedenen Trollen benötigt werden.
Es kann also gesagt werden, dass ein Troll ein Nutzer ist, welcher zwar die Intention hat, zu stören, aber das Trollen zu seiner eigenen Belustigung und bzw. der Anderen anwendet. Deswegen kann Trollen klar von Phänomenen wie Cyberstalking oder Cybermobbing abgegrenzt werden, da diese Tätigkeiten nicht als Spiel angesehen werden und dort einem einzelnen Menschen bewusst Schaden zugefügt wird.
For the lulz!
Einen typischen Trollkommentar gibt es nicht. Das bedeutet natürlich gleichzeitig, dass es sehr schwer ist, einen Troll zu erkennen. Es kann also keine Software entwickelt werden, die einen Trollkommentar automatisch erkennt und anzeigt, bevor es zu spät ist und ein großer Troll-sturm entfacht wurde.
Dies stellt im Wesentlichen auch das große Problem dar: Wurde erst ein Trollsturm ausgelöst, gibt es so leicht keine Möglichkeit mehr, diesen zu bändigen. Und genau das ist das Ziel eines Trolls.
Auffällig ist jedoch, dass am Ende eines Trollkommentars häufig die Kürzel „LOL“ (lau-ghing out loud) oder „lulz“, also mehrere „LOLs“, zu lesen sind. Dies drückt Schadenfreude aus. Trollen wird manchmal mit dem Satz „I did it for the lulz“ gerechtfertigt, was das Motiv des Spaßes unterstreicht.
Ein Trollkommentar funktioniert, weil in ihm gezielt Kommunikationsregeln außer Kraft gesetzt werden. Solch ein Kommentar ist weder informativ, noch relevant oder eindeutig. Dies bedeutet, dass eine Kommunikation, welche auf einem Trollkommentar basiert von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist. Ein Troll unterstützt diese fehlgeleitete Kommunikation in der nachfolgenden Diskussion, indem er andere Nutzer gezielt missversteht oder missachtet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, warum Trollen funktioniert, ist die Umgebung. Das Internet macht es möglich, dass sehr leicht und schnell kommentiert werden kann. In den meisten Fällen werden Kommentare nicht geprüft und sofort veröffentlicht. Wenn eine Anmeldung für eine Plattform erforderlich ist, ist dies innerhalb kürzester Zeit erledigt. Natürlich kann diese Anmeldung beliebig oft wiederholt werden: Wenn ein Nutzername bereits wegen Trollens gesperrt wurde, kann im Handumdrehen einfach ein neuer Account angelegt werden.
Ein anderer nicht unwichtiger Fakt, der das Trollen begünstigt, ist die Anonymität der Nutzer im Internet. Beiträge können nicht nur mit Leichtigkeit verfasst, veröffentlicht und geteilt werden, dies geschieht zudem anonym und fällt nicht auf den einzelnen Nutzer zurück.
Die Auswirkungen des Trollens
Dienste, in denen Kommentare nicht kontrolliert und direkt freigeschaltet werden, gelten als problematisch, da andere Nutzer so den Trollen ausgeliefert sind. Social-Media-Plattformen, auf denen Nutzer aktiv andere Nutzer blocken können, wie beispielsweise bei Twitter, helfen, einem Troll aus dem Weg zu gehen. Ein Troll reagiert dann in den meisten Fällen damit, dass er sich einfach auf den nächsten Kampfplatz weiterklickt.
Blogger, die über bestimmte Themen schreiben, erfahren meist die ganze Kraft eines Trollsturms. Das Trollthema schlechthin ist unter Bloggern der Feminismus. Man kann also davon ausgehen, dass wenn über dieses Thema berichtet wird, eine Horde Trolle dieses wittert und sich erbarmungslos trollend auf das Blog stürzt.
Für den Betreiber des Blogs hat dies zur Konsequenz, dass er gezielt darauf achtet, über welche Themen er bloggt und eventuell Beiträge nicht veröffentlicht, die er allerdings gern veröffentlichen würde.
Das Trollen innerhalb eines Forums gestaltet sich schon ein wenig schwieriger. Hier ist eine Anmeldung erforderlich, sodass sich einige Trolle direkt abwenden. In dieser Umgebung stehen außerdem den Nutzern in den meisten Fällen verschiedene Moderatoren zur Seite und ein Trollsturm kann oftmals durch das Löschen von Trollkommentaren verhindert werden.
Wenn ein Troll allerdings zu spät erkannt wird, kann es geschehen, dass durch die Reaktionen der anderen Nutzer ein Troll bekommt, was er möchte, und zwar das totale Trollchaos. Diskussionen in einem Foren-Thread sind in diesen Fällen oftmals wirr und ungeordnet und es hilft dann nur noch, diese komplett unsichtbar zu machen und allen Nutzern die Möglichkeit zu nehmen weiterhin zu kommentieren. Dies ist ärgerlich, da Diskussionen, welche vielleicht vorher konstruktiv waren, für die Nutzer nicht mehr zugänglich sind.
Einige Blogs oder Communities haben ein massives Trollproblem und können diese Situation nicht zufriedenstellend meistern, sodass es durchaus passieren kann, dass die Plattformen geschlossen und aus dem Internet entfernt werden müssen. Dies ist für Nutzer, die einen konstruktiven Austausch wünschen natürlich nicht erfreulich und Betreiber der Plattformen empfinden dies in der Regel ebenso ernüchternd.
DFTT!
Der Ausspruch „DFTT!“ (Don’t feed the troll) ist oft unter Diskussionen zu lesen, in denen sich ein Troll eingeschlichen hat. Dieser Rat ist nicht nur ein Versuch, Ruhe in das getrollte Gespräch zu bringen, sondern auch ein sehr weiser Ratschlag.
Dies stellt für einige Nutzer jedoch eine große Herausforderung dar. Sie möchten sich rechtfertigen, zurückschimpfen und sich wehren. Denn trollige Worte sind verletzend und das muss natürlich klargestellt werden. Doch psychologisch gesehen ist das einzig Richtige, was in dieser Situation getan werden kann, dem Troll aus dem Weg zu gehen, um ihm einen keinen weiteren Angriffspunkt zu liefern.
Ein Internettroll vergibt von Anfang an eine Rollenverteilung, in der er der Stärkere ist und wenn auf ihn reagiert wird, fühlt er sich in dieser Rollenverteilung bestätigt. Eine weitere Methode, um das Trollen zu unterbinden, kann die paradoxe Intervention sein. Dies ist ein grundlegender Ansatz in der Psychologie, um Verhaltensauffälligkeiten zu kurieren. Die paradoxe Intervention setzt einen Patienten kontradiktorischen Handlungsanweisungen aus. Das intervenierende System, zum Beispiel der Therapeut, verordnet also gezielt Handlungen, welche gegenteilig zum erreichenden Ziel stehen. Durch diese Anweisungen entsteht eine Situation, welche für den Patienten logisch nicht lösbar erscheint und dieser durch Kreativität das bisher angewendete System aufbricht, um die Situation zu lösen.
Wenn die paradoxe Intervention angewendet wird, sollten alle Nutzer den Troll loben und das Verhalten, welches er innerhalb eines Forums, Blogs, etc. auslebt öffentlich, für angemessen und konstruktiv befinden. Des Weiteren können Wünsche darüber geäußert werden, dass der Troll öfter innerhalb der Community anwesend sein soll, da erst seine Beiträge zu der Lösung eines bestimmten Problems führen oder diese auch interessant und hilfreich für die Diskussion sind. So wird der Troll zwar „gefüttert“, nur eben auf eine Art und Weise, die er nicht erwartet. Er kommt dann in die Situation, dass er neben des Trollens auch noch eine andere Form der Kommunikation betreiben muss, nämlich so-ziale Kommunikation.
Diese Art von Gegenmaßnahme funktioniert allerdings nur, wenn alle Nutzer innerhalb der getrollten Social-Media-Platt-form verstehen, dass dies eine Taktik ist und hierbei mitspielen. Ansonsten wird sie das Gegenteil bezwecken und den Troll tatsächlich bestärken. Der beste Rat bleibt also weiterhin beim Entdecken eines Trolls, ihn nicht zu füttern.