von Dr. William Sen
digitalwelt-Kolumnist für strategisches Social Media Management
Lässt man die Eigendarstellungen der Nutzer aus, verlinken fast alle anderen Inhalte von Facebook auf externe Quellen, wie beispielsweise auf Blog-, Nachrichten- und Videoportale. Allerdings werden diese Inhalte von Nutzern erst durch Suchmaschinen gefunden, bevor sie auf Facebook veröffentlicht werden und mit Glück eine hohe Anzahl an Klicks bekommen. Somit ist Facebook durch und durch Treiber von externen Nachrichten.
Umgekehrt findet eine Verlinkung auf Facebook jedoch kaum statt. Die sogenannte SERP, also die klassische Trefferliste bei Google nach einer Suche, enthält normalerweise keine Facebook-Inhalte, wie Google-Nutzer wissen. Wenn Suchmaschinen Facebook-Inhalte in der Trefferliste veröffentlichen würden, wäre dies für Suchmaschinen im Grunde auch widersprüchlich. Der User würde unnötig auf Facebook geleitet werden, um von dort wieder auf der Ursprungsquelle zu landen. Diesen Umweg ersparen Suchmaschinen ihren Nutzern und listen daher die Primärquelle auf.
Facebook als Link-Generator
Dies lässt für Facebook mehrere Betrachtungsweisen zu. Facebook ist eine Art Linksammlung für interessante Inhalte. Interessant deswegen, weil Nutzer selbst eine Vorauswahl treffen, welche URL sie auf Facebook veröffentlichen möchten.
Für diesen Zweck ist Facebook zudem konzipiert. Jeder Link, der von Nutzern in die Timeline kopiert wird, erhält von Facebook eine automatisch generierte Thumbnail und einen Anrisstext – den sogenannten Facebook-Teaser. Überdies wird den Nutzern eine optimal vorbereitete Linkvorschau präsentiert. Videos haben ferner eine eingebaute Autoplay-Funktion.
Facebook ist ein gigantisches Bookmark-Sharing-Portal
Im Grunde ist Facebook gar ein gigantisches Bookmark-Sharing-Portal, da es mittlerweile hauptsächlich zum Teilen von fremden Links genutzt wird.
Das Bedürfnis der User, ihre Links den anderen zu präsentieren, gewann in Form von Social Bookmarking bereits in der Zeit vor der Entstehung von Facebook an Beliebtheit. Facebook konnte sich dieses Bedürfnis der User zunutze machen und verdrängte die Bookmark-Sharing-Portale im Laufe der Zeit mehr und mehr. Diese Entwicklung macht unter anderem die Trendanalyse von Google Trends deutlich. Facebook bietet den Menschen eine bedienerfreundlichere Oberfläche zum Teilen der Links als die Social-Bookmaring-Portale, wie beispielsweise Delicious. Mit den Jahren wurde zudem offensichtlich, dass für viele Nutzer das alleinige Sammeln von Bookmarks nicht im Vordergrund steht, sondern die Wertschätzung der anderen Nutzer – bei Facebook durch den „Like“.
Die Reifephase von Social Bookmarking hörte Anfang 2009 auf, als Facebook genau in der Mitte seiner Wachstumsphase stand. Der Höhepunkt der Reifephase von Facebook Ende 2013 bedeutete dann auch einen signifikanten Abfall der Bedeutung von Social Bookmarking. Erst Anfang 2014 begann schließlich auch für Facebook die sogenannte Degenration, wie bereits seit einigen Monaten durch die Abnahme der Mitglieder deutlich wird.
Die gleiche Entwicklung zeigen auch weitere Social-Media-Plattformen, die jüngst an Popularität zugelegt haben, beispielsweise Pinterest und insbesondere Instagram. Beide bieten den Nutzern ebenfalls die Möglichkeit des Teilens von externen Quellen.
Typischer Video Teaser bei Facebook mit Link auf das VideoDiese Tatsache lässt eine neue Sicht auf das Web in Bezug auf Social Networks und die Entstehung und Verbreitung von Nachrichten zu. Wenn Facebook letztlich nichts mehr bietet als das Bekanntmachen von externen URLs, während ihre Entstehung woanders stattfindet, ist ein Post bei Facebook logischerweise nur eine Wirkung. Die Ursache liegt jedoch in der eigentlichen Quelle außerhalb von Facebook. Und wenn diese Inhalte in den Ursprungsquellen erst über Suchmaschinen gefunden werden müssen, sind deren Positionierung und Auffindungspotenzial in Suchmaschinen entscheidend dafür, ob eine Nachricht über Social Networks verbreitet wird.
Facebook stagniert
Schaut man sich die derzeitige Abschwungphase von Facebook und die Wachstumsphase von neuen Social Networks an, wird deutlich, dass es im Grunde unbedeutend ist, ob Nutzer ihre Nachrichten über Facebook teilen oder dafür andere Social Networks verwenden.
Für die Nutzer ist nicht wirklich Facebook das Bedeutsame, sondern die Befriedigung des Bedürfnisses, durch das Teilen von Quellen Anerkennung der anderen User zu erhalten. Die Feedback-Möglichkeit, indem Icentives durch Likes angeboten werden, ist also das Entscheidende. Dies wurde mit den Jahren immer offensichtlicher und ist auch Ergebnis der Studie „Die Psychologie des Teilens“ von The New York Times und Latitude Research, die die Hauptgründe für das Teilen von Inhalten von Menschen psychologisch untersuchten.
Facebook ist abhängig
Der Umstand, dass sich Facebook derzeit als Booster von Nachrichten durch seine so beliebte Möglichkeit des Teilens eignet, liegt in der hohen Anzahl der Mitgliederzahlen und der Like-Stimuli.
Würde Facebook in Zukunft seine Plattform schließen, würden sich weder das Verhalten der Internetnutzer noch das Gesamtgefüge des Webs merklich verändern. Die Menschen würden weiterhin Inhalte durch Suchmaschinen finden und auch das Bedürfnis, diese Inhalte zu teilen, würde fortbestehen. Immer noch wäre der Ort des Teilens eher belanglos, solange man dort eine kritische Masse an Publikum erreicht, die die eigenen Inhalte wertschätzt – möglicherweise mit anderen psychologischen Gratifikationen als beispielsweise dem Like.
Facebooks Link-Strategie
Das bedeutet für Facebook und andere Social Networks natürlich, dass sie immens von externen interessanten Inhalten abhängig sind. Damit stellt sich die Frage, ob Facebook auch für Unternehmen einen Nutzen haben kann.
Kann Facebook für Unternehmen überhaupt als eigener strategischer Kanal betrachtet werden, wenn es nur als Verbreiter von Links agiert? Wenn nicht, wäre Facebook nichts weiter als ein Werkzeug und somit im engeren Sinne ein Werbekanal für externe Links. Facebook erfüllt in diesem Fall im Marketing für Unternehmen lediglich den Zweck, Nutzer dazu zu bewegen, sich von Facebook aus auf andere Quellen zu begeben. Und das ist im Grunde auch das, was Facebook möchte.
Diese Betrachtung macht Facebook auch zu einem modernen und interaktiven Banner. Die derzeitige Produktstrategie von Facebook zielt prophetisch auf eine solche Sichtweise ab. Schließlich müssen Unternehmen grundsätzlich nichts für ihren Facebook-Auftritt zahlen. Facebook weiß im Grunde, im Gegensatz zu den Unternehmen, dass der eigentliche Mehrwert für Unternehmen nicht in einer Facebook Page an sich liegt, sondern in der Generierung von Klicks auf externe URLs. Facebook bedient damit letztlich auch die SEO-Intention der Unternehmen.
Facebook ist ein gutes Werbe-Instrument.
Derzeit gibt es eine Fülle von Unternehmen, die lediglich eine Facebook Page betreiben, außerhalb von Facebook jedoch wenige bis keine Inhalte und Themen zu bieten haben. Diese Vorgehensweise der Unternehmen ist nach heutigem Wissensstand über Social Networks durchaus zu kritisieren. Die alleinige Existenz einer Facebook Page ist für den Umsatz eines größeren Unternehmens höchstwahrscheinlich unwesentlich. Ohne das Ziel zu haben, auf andere Themen in anderen Kanälen aufmerksam machen zu wollen, könnte sich Facebook Marketing daher relativ unrentabel auswirken. Je mehr sich Unternehmen in Social Networks beteiligen, desto nachdrücklicher wird auch in Frage gestellt, ob die mit viel Aufwand und Ressourcen erreichten Diskussionsvolumina den Nutzen überhaupt rechtfertigen. Nicht abwegig ist es, dass bald auch die Unternehmen einsehen werden, dass es auf die Klicks und den generierten Kauf in der eigenen Domäne ankommt.
Facebook KPIs
Auch die derzeitigen KPI-Berechnungen müssten in solch einem Fall kritisch hinterfragt werden. Denn nach diesem Prinzip sind es nicht Erfolgskennzahlen wie die Anzahl von Likes und die Kommentare, sondern die Anzahl der Klicks auf die jeweiligen externen Quellen.
Damit wären wir im Grunde wieder bei den klassischen Kennzahlen gelandet: das Zählen von möglichst vielen Visits, die von Facebook generiert werden. Auch Facebook hat dies jüngst erkannt und daher die Abschaffung der Kennzahl „People Talking About“ als Erfolgskennzahl in seiner API-Schnittstelle angekündigt. Möglicherweise ist das ein Schritt in Richtung des klassischen Marketings, der damit einhergeht, dass Facebook mit seinem Portal gezwungen ist, profitabler zu werden. Engagement und Diskussionen hin oder her, letztlich lässt sich wohl auch bei Facebook Geld anscheinend nur mit Klicks verdienen.
Somit geht es Facebook im Grunde nicht mehr darum, möglichst viele Diskussionen oder Social Media Engagement für Unternehmen in deren Facebook Pages zu bieten. Zwar ist es das Ziel vieler Unternehmen, genau diesen Weg als Marketing Tool zu verfolgen, aber Facebook hat gewissermaßen einen Schritt weiter gedacht. Mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen in Europa und der Stagnierung des Portals droht dem Social Network, dass der Ansatz des Engagements für Unternehmen in Zukunft unwichtiger sein wird. Laut Studien sind über 80 Prozent aller Konzerne bereits in Facebook vertreten. Das bringt jedoch zwei voneinander abhängige Probleme mit sich. Einerseits ist Facebooks Markteroberung abgeschlossen. Andererseits haben die Unternehmen für Facebook keinen Nutzen, wenn sie dort kein Geld lassen. Eine solche Marktpenetration von Facebook bedeutet auch, dass es im Grunde unter den derzeitigen Bedingungen für Facebook nur noch schlechter werden kann, weil es bereits jetzt den Höhepunkt erreicht hat. Es müsste also dringend ein neues Geschäftsmodell her, das für eine nachhaltige Umsatzsteigerung sorgt. Facebooks neue Klickstrategie scheint genau diesem Problem entgegenzuwirken.
Die Markteroberung von Facebook ist abgeschlossen.
Die Customer Journey käme dann wieder in den Vordergrund mit der Zielsetzung, eine hohe Conversion Rate zu erreichen. Diese bereits etablierten und klassischen Ansätze könnten dazu beitragen, dass Unternehmen auch in Zukunft Facebook nicht fernbleiben, sondern die angebotenen Link-Promoter der Plattform nutzen. Es ist also in gewisser Weise ein Schritt zurück zu Web 1.0, in der man noch Geld mit Werbebannern verdienen konnte. So hat Facebook bereits angefangen, den Unternehmen die Möglichkeit zu gegeben, ihre Links entgeltlich zu promoten. Nicht ganz unwesentlich ist auch hierbei die derzeit heiße Diskussion darüber, wie viele der Friends oder Liker einer Page das Posting, den Link oder den Videohinweis auch tatsächlich in ihrer Timeline sehen. Facebook selbst beantwortet diese Frage mit 16 Prozent (Facebook, 2012). Die niedrige Prozentzahl kommt Facebook dabei zugute: Je kleiner diese Zahl, desto enormer die Motivation der Unternehmen, auch für eine größere Reichweite Geld zu lassen. Im gleichen Zug empfiehlt Facebook den Page-Betreibern, ihre Posts kostenpflichtig zu puschen. Nur so kommt ein Inhalt auch in den Genuss, eine größere Verbreitung zu erzielen und mehr Klicks zu generieren. Hierzu hat Facebook ein umfangreiches Produktportfolio zusammengestellt, wie das „Page Post Engagement“, den „Event Reponse“ oder die „Clicks to Website“ – letzteres soll mehr Nutzer dazu motivieren, auf eine externe Quelle zu klicken.
Damit hat sich Facebook für Unternehmen, spätestens mit der Einführung der neuen Werbeprodukte, längst als Klick-Generator positioniert. Dementsprechend zielen die Funktionalitäten auf der Timeline sowie die Gesamtstruktur von Facebook genau auf diese Produktstrategie ab. Die zahlreichen Teaser-Funktionen sowie die automatisch generierten externen Contentanzeigen dürften nur der Anfang sein. Es werden auch zukünftig Kennzahlen mehr auf Klick- und Conversion-Rates basieren als auf „People Talking About“ und ähnlichem. Ohnehin ist es bis heute vielen Unternehmen unklar, wie sie diese modernen Kennzahlen wie Likes und „Engagement Rate“ in eine ROI-Berechnung einordnen sollen. Hier liegt im Grunde auch das Problem: Möglicherweise gibt es gar keinen ROI und die gesamte Mühe, für viel Diskussion und Engagement zu sorgen, ist vergebens.
Derzeitige Entwicklung von Facebook
Einhergehend mit der Bedeutung von Inhalten außerhalb von Social Networks entsteht derzeit eine Vielzahl von weitreichenden und populären Blogs und Websites im Web.
Das Interesse an Blogs rückte zunächst wegen der Aufmerksamkeit, die Social Networks genossen, etwas in den Hintergrund. Im Laufe der Zeit hat sich dann jedoch eine Vielzahl von Gateways erfolgreich am Markt positioniert. Sie dienen den meisten Nutzern als wichtige und standardisierte Quellen für Informationen und Nachrichten. Hat man früher noch von Millionen Blogs gesprochen, reichen in Deutschland tatsächlich nur 3.000 Blogs, um mehr als 20.000 User partizipieren zu lassen und mehr als 1 Milliarde Nutzer zu erreichen (eBuzzing, 2014). Damit dürften die wenigen Blogs in Deutschland bereits mehr als 99 Prozent des Inhaltes in Blogs ausmachen. Die weiteren Millionen sind entweder inaktiv oder wirkungslos.
Das heißt aber auch, dass sich Nutzer in den letzten Jahren auf wenige themenspezifische Quellen konzentriert haben, somit die Findungsphase hinter sich gelassen haben und gezielt auf ihre Lieblingsblogs bzw. -portale zugehen. Wer dann tatsächlich selbst nicht weiß, was in der Welt passiert, loggt sich in Facebook ein, um sich durch geteilte URLs leiten und inspirieren zu lassen, wohin die Reise diesmal geht. Letztlich gelangt auch der Facebook-User wieder in eines dieser wenigen Portale mit seinen hohen Reichweiten. Wer viel in Facebook auf externe Links klickt, spürt diese Entwicklung bereits: Man landet fast immer bei bekannten Blogs und Portalen, dessen URL einem bereits vertraut ist.
Dieses Phänomen ist im Grunde nichts Neues. Jede Art von Komplexität in einem System wird nach einer Weile durch die Selbstregulierung simpler und transparenter – das ist bereits aus der Systemtheorie bekannt. In der Wirtschaftswissenschaft wird dieses darwinistische Phänomen Selektierungs- und Qualitätsprozess genannt. Egal wie komplex und groß das Angebot am Anfang eines neuen Trends ist, am Ende setzen sich immer wenige und qualitative Anbieter am Markt durch. Die Gewinner bleiben übrig. Für die anderen hat die Wirtschaft einen wenig abwertenden Begriff gefunden: „Low Performer“.
Zukunft von Facebook Marketing
Wie auch Twitter hat sich Facebook zu einem Fundort für lustige, politische oder allgemeine Informationen entwickelt. Diese Erkenntnis bedeutet auch, dass den klassischen Kanälen, wie den Enterprise Blogs, dem eigenen Forum oder der klassischen Website, wieder viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen, statt Social Networks als eigenständige Marketing-Kanäle zu betrachten.
Durch die erneute Umgestaltung der Produktlinie von Facebook und die derzeitige Entwicklung von Social Networks, die ihre Überlebensstrategie nur auf Klick- und Share-Basis aufbauen, sind eigene, selbst erstellte Kanäle mit wertvollen Informationen wieder bedeutsamer geworden. Somit werden auch in Zukunft Social Networks, wie auch Facebook, noch stärker als Aggregatoren und Triebwerke für externe Inhalte dienen und zumindest für Unternehmen als eigenständige Marketing-Kanäle weniger Bedeutung haben.
Unternehmen ist es daher angeraten, den eigenen Blog bzw. Forum vom Staub zu befreien und sie frühzeitig für die neue Marktumgebung vorzubereiten.
Quellen
eBuzzing (2014): eBuzzing Labs Fakten, labs.ebuzzing.de/top-blogs (aufgerufen 05.10.2014).
Facebook (2012): Sponsor your Page posts, 23.05.2012, facebook.com/note.php?note_id=10150675727637217 (abgerufen 05.10.2014).
Dr. William Sen
Dr. William Sen ist u. a. Gründer des ersten staatlich zertifizierten Lehrgangs zum Social Media Manager (TH Köln) sowie Chefredakteur des ersten Social Media Magazins in Deutschland.
Als Lehrbeauftragter lehrte er u. a. an der TH Köln in den Bereichen Social Media Management, eEntrepreneurship, Digital Publishing, Communication Controlling und strategisches Marketing. Dr. William Sen lebt und arbeitet in San Diego, Kalifornien.
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