von Bianka Boock
Viele Menschen wollen Katzen, physisch und virtuell. Sie sind sogar noch vor dem Hund das verbreitetste Haustier in Deutschland. Und laut Google Trends das meist gesuchte Tier auf Google. Analog dazu fördert eine einfache Google-Suche nach „Katzen“ eine stattliche Zahl von mehr als 21 Millionen Treffern zutage. Dabei sind die einzelnen Rassen noch nicht einmal berücksichtigt.
Das ist eine Menge „Futter“, das allerdings nicht den besten Ruf hat. Denn Cat Content gilt als Synonym für minderwertige Inhalte. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich: Das ist eine vorschnelle und unberechtigte Abwertung.
Bei Cat Content handelt es sich grob beschrieben um auf Katzen bezogene Inhalte. Sie sind sehr vielseitig: Es gibt sie in Form zahlreicher Textbeiträge, Videos und Bilder. Diese fallen übrigens nicht nur Menschen auf. Im Sommer vergangenen Jahres machte Google Schlagzeilen, als Forscher des Google X Labors 16.000 Prozessoren miteinander verknüpft und so ein neuronales Netz erschaffen haben. Dieses fütterten sie mit zehn Millionen Screenshots aus Videos und wollten wissen, ob der Supercomputer in der Lage ist, Gegenstände selbstständig zu erkennen. Dabei wurde der Computer mit keinerlei Informationen über irgendwelche Gegenstände versorgt, die ihm weder bei den Unterscheidungs- noch bei Erkennungsmerkmalen helfen sollte. Kurz: Der Computer wusste, ähnlich wie ein neugeborenes Baby, nichts über seine Umgebung und wurde auch nicht angeleitet.
Das Netzwerk der künstlichen Intelligenz schaffte es trotzdem 20.000 unterschiedliche Gegenstände erfolgreich zu identifizieren und zu benennen. Ausgerechnet Katzen, erkannte die Maschine jedoch am besten1.
In Foren und Blogs werden nicht nur zig Fragen rund um die Katze diskutiert, sie nehmen auch eine andere Vorreiterrolle ein. Im Forum 4chan tauchten 2006 erstmals besondere Exemplare auf, die sich von dort aus über Blogs wie Icanhascheezburger rasant verbreiteten: Lolcats. Sie sind ein Internetphänomen (Meme) in Form humoristischer Bilder2. Das Wort setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: „LOL“ und „cats“, während „LOL“ für „laugh out loud“ steht. Die Bilder sind mit Texten in merkwürdig anmutendem Englisch versehen und sollen dadurch Humor erzeugen. Bei dieser Sprache handelt es sich um Lolspeak, einen Internetslang, der übrigens auch ohne Katzenbilder verwendet wird. So ist inzwischen nicht nur das Buch der Bücher, die Bibel, als LOLCat Bible3 übersetzt. Beliebige Texte lassen sich mit Tools wie speaklolcat.com ebenfalls in Lolspeak ausdrücken. Sogar Twitter hat in diesem Jahr begonnen, mit der Sprache „Lolcat“ zu experimentieren.
Von der Spielerei zum Nutzen
Das alles ist keine bedeutungslose Spielerei, betrachtet man sich das Geschehen aus einer differenzierteren Perspektive. Zum einen rufen Bilder süßer Katzen positive Gefühle hervor. Diese Reaktion ist nicht zu unterschätzen. Sie fördern die Konzentration, wie die Studie „The Power of Kawaii“ der Hiroshima University4 belegt. Experimente haben gezeigt, dass die Teilnehmer Konzentrationsaufgaben nach dem Betrachten niedlicher Bilder besser bewältigt haben. Die Forscher führen dies darauf zurück, dass die Niedlichkeit verkörpernden Bilder positive Emotionen hervorrufen. Diese verengen den Aufmerksamkeitsfokus, was sich wiederum auf die Motivation und die Fähigkeit zur systematischen Verarbeitung auswirkt. Deshalb könnten niedliche Objekte künftig genutzt werden, um in speziellen Situationen wie für Fahren und Büroarbeit, Vorsicht zu fördern.
Zum zweiten entstehen aus „Spielerei“ heraus oft nützliche Werkzeuge. Schenkt man der 2008 vom amerikanischen Blogger, Internetaktivist und Direktor des MIT Center for Civic Media Ethan Zuckerman entwickelten „Cute Cat Theory of digital activism“5 Glauben, dann wurde das Social Web ursprünglich geschaffen, damit Menschen Bilder von niedlichen Katzen teilen können. Plattformen wie Twitter und Facebook seien für die einfache Erstellung von Inhalten und den leichten Austausch mit lokalem und globalem Publikum entwickelt worden. Diese Tools wurden dann auch für Aktivisten äußerst hilfreich, da sie sich resistenter gegen Repressionen erweisen. Sie lassen sich zum Beispiel nicht ohne Weiteres abschalten. Aus diesem Grund wurden sie zu nützlichen Instrumenten.
Das Social Web wurde erschaffen, damit Menschen Bilder von Katzen teilen können
Nach Meinung von Ethan Zuckerman finden zwei Revolutionen statt: eine um die Einfachheit der Inhaltserstellung und die zweite um Einfachheit der Inhaltsteilung.
Erfolg auf ganzer Linie
Hinzu kommt, dass Cat Content erfolgreich ist. Sehr erfolgreich sogar. Die amerikanische Katze Tardar Sauce wurde nach dem Post ihres Fotos auf Reddit am 22. September 2012 zu einer Internet-Sensation. Sie hat – vermutlich wegen felinen Zwergwuchses – einen mürrischen (englisch: grumpy) Gesichtsausdruck und wurde deshalb zu „Grumpy Cat“. Sie gewann bei den Webby Awards 2013 einen Preis für das Meme des Jahres6. Grumpy Cat hat eine eigene Website und ist unter anderem mit mehr als 1,2 Millionen Likes auf Facebook, 104.000 Followern auf Twitter und mehreren Doubles, 85.000 Followern auf Instagram, 12,5 Millionen Abrufen auf dem eigenen YouTube Channel und als Mitglied von 700 Kreisen auf Google+ bestens vernetzt.
Ein weiteres Beispiel ist Henri, le Chat Noir. Er hat Berühmtheit als erster Katzenphilosoph der Welt erlangt. Und er ist Hauptfigur eines Buchs11, Motiv von Fanartikeln12, hat eine eigene Website, mehr als 23.600 Follower auf Twitter, 124.000 Fans auf Facebook und Millionen Viewer auf YouTube. Der Clip „Henri 2, Paw de Deux“13 hat seit April 2012 mehr als 7,7 Millionen Aufrufe erreicht.
Darin sinniert der schwermütige Henri an seinem Exempel herzergreifend über den Weltschmerz einer Katze. Eine Jury des Kunstmuseums Walker Art Center im US-Bundesstaat Minneapolis wählte das Video zum besten Katzenvideo der Welt.
Einer der Gründe für den Erfolg eines solchen Videos sind die Gefühle, die es ausdrückt. Das belegt eine Studie der London School of Economics von Kate Miltner14. Darin hat sie Lolcats und deren Erfolgsfaktoren untersucht. Kate Miltner fand heraus, dass Lolcats für verschiedene User-Gruppen Funktionen erfüllen, so das Ausdrücken von Gefühlen. Sie geben Identität und schaffen Gruppenzugehörigkeit. Selbst diese Studie sorgte für großes Interesse in der Community und machte Miltner für einige Zeit weltweit bekannt. Dafür erweist sich das Image der Katze als eine ideale Voraussetzung. Die Katze, die in der Geschichte der Menschheit die komplette Spanne der Symbolik durchlebt hat – vom Gott und Glücksbringer bis hin zur Verkörperung des Bösen – ist für viele Menschen ein Sinnbild für Anmut, Verspieltheit und Gelassenheit, Geborgenheit und Unabhängigkeit, umgeben von Geheimnissen. Henry, le Chat Noir zum Beispiel verkörpert diese mystische Seite.
Last but not least ist die geschickte Vermarktung als Erfolgsfaktor nicht zu unterschätzen. Das wird vor allem am Beispiel von Grumpy Cat deutlich. Sie hat einen eigenen Manager15. Und: Seit Januar 2013 ist Grumpy Cat und der berühmte Gesichtsausdruck sogar als Trademark angemeldet16 und wird lizenziert. Grumpy Cat ist die Hauptfigur eines Buches7 und eines Kalenders8 sowie vieler Merchandising-Produkte vom T-Shirt bis zur Tasse9. Sogar Grumppuccino als Kaffeegetränk gibt es mittlerweile in den Sorten Mocha, Coffee und Vanilla zu kaufen10. Grumpy Cat ist ein Werbe-, TV- und Kinostar. Eine Katze als Markenzeichen.
Katzen als Markenbotschafter
Unternehmen können von den „kleinen Löwen“, denen alles scheinbar spielend gelingt, viel lernen. Manche Unternehmen haben das bereits erkannt und Cat Content geschickt zur Unterstützung ihrer Botschaften verwendet. Der Autohersteller Kia bediente sich 2011 einer flinken, agilen Katze, um die Automarke Picanto anzupreisen17. O2 Telefonica UK drehte einen Werbespot mit dem Titel „Be More Dog“18, in dem eine Katze gezeigt wird, die lieber ein Hund wäre, weil die Welt so spannend ist.
Ikea hat es sich zu Nutze gemacht, dass Katzen als sehr ortsgebunden gelten und als Sinnbild fürs Zuhause stehen. Im Zuge einer Marketingaktion ließ der Einrichtungskonzern in einem seiner Möbelhäuser in England in einer Nacht 100 Katzen frei. In einem Make-of-Video19 ist zu sehen, wie Halter ihre Stubentiger in das Möbelhaus bringen, deren Vorlieben vorstellen und wie die Katzen anschließend das Möbelhaus erkunden. Es endet mit dem Worten „Home is how it makes you feel“.
Das Video erreichte von Oktober 2010 bis heute 3,4 Millionen Aufrufe, das dazugehörige Werbevideo für den Ikea-Katalog20 in den drei Jahren mehr als zwei Millionen. Und auch die dazugehörige Facebook Page zählt inzwischen fast 23.000 Likes.
Catvertising-Agenturen helfen beim Cat Marketing
Wer möchte, kann sogar auf spezielle Agenturen zurückgreifen. Mit John St. oder Kittywood Productions sind die ersten Catvertising-Agenturen für Cat Marketing längst auf den Plan getreten. Aber auch ohne Unterstützung und ohne große Werbekampagne können Unternehmen Cat Content clever einsetzen. Das hat unter anderem der Weltkatzentag am 8. August gezeigt. Der Kommunkationsberater Markus Sekulla hat verschiedene Social-Media-Aktionen von Unternehmen betrachtet21. Als „toll“ bewerte er das Facebook Post des WWF Schweiz22. Der WWF nahm den Weltkatzentag zum Anlass für ein Tierportrait über den Tiger. Als „ganz okay“ bewertete Sekulla den Facebook-Beitrag der Allianz Deutschland23. Darin erhob das Versicherungsunternehmen „Ein Miau auf die Katze“. Es fragte nach dem Namen der Katzen von Usern, bewarb ihre Tierkrankenversicherung und veröffentlichte ein passendes Bild. Abgesehen davon, dass der Inhalt des Postings zur Strategie der Allianz passt, erhielt der Beitrag zirka 650 Likes, an die 100 Kommentare und wurde 260 mal geteilt.
Hoppla – was nicht passt
Doch es ist Vorsicht geboten, insbesondere, wenn das Posting nicht zur Unternehmensstrategie passt. So konnte der Tweet „Fröhlichen #Weltkatzentag an alle Katzenliebhaber! #catcontent“ des Hotelportals HRS24 dem Autor keinen positiven Kommentar abringen. Warum auch? Er ist weder originell noch steht er in einem Zusammenhang mit den Leistungen des Unternehmens, geschweige denn dass er einen Mehrwert bietet.
Neben dem „Passfaktor“ sollten Unternehmen unbedingt die Art des Cat Contents, den sie einsetzen, hinterfragen. Nicht immer ist erfolgreicher Cat Content geeignet. Das wird an kritischen Beiträgen über Grumpy Cat deutlich. So zeigt sich Mike Isaac krank vor Sorge um Grumpy Cat25. Er glaubt, dass all der Rummel und die große Aufmerksamkeit nicht gut für die Katze sind. Damit ist er nicht allein. Im Katzen-Forum beispielsweise schreibt eine Userin „…armer Kerl. Diese Verkürzung der Beine macht es ihm nicht möglich normal zu laufen (…)“26
Auch Werbung wie der 2012 in Neuseeland veröffentlichte Spot für den Toyota Corolla27 kann allenfalls auf den ersten Blick und für eine spezielle Zielgruppe cool sein, wobei die Frage zu stellen ist, welche Zielgruppe angesprochen wird. Aus den Kommentaren und Dislikes ist zu erkennen, dass Katzenliebhaber sich mit dem Spot nicht anfreunden können. Zudem wird der Spot auch außerhalb von YouTube diskutiert, wie beispielsweise in Facebook. Dort stieß das Video nur bedingt auf Zustimmung28.
Katzen – das perfekte Vorbild
Wenn Unternehmen überlegen, ob und wie sie Cat Content einsetzen wollen, sind sie gut beraten, Katzen als Vorbild zu betrachten. Die Stubentiger stürmen nicht jedem beliebigen Beuteobjekt planlos hinterher. Sie beobachten es zuerst genau, um es dann, wenn es lohnenswert erscheint – im richtigen Moment – mit der passenden Strategie zu fangen. Das ist aktuell wichtiger denn je. Denn auch der Kunde von heute ist eine Katze (und kein Hund), um es mit den Worten von Thomas Strerath, CEO der Agentur Ogilvy & Mather Deutschland, zu sagen, die für modernes Zielgruppen-Marketing denn auch eine Katzenstrategie entwickelt hat29.
Quellen
- Google, „Using large-scale brain simulations for machine learning and A.I.“, bit.ly/159sBsL und Thomas Zick, „Google: Simuliertes Gehirn erkennt Katzen“, bit.ly/LsujF4 (Abruf: 25.08.2013)
- Wikipedia, „Lolcat“, bit.ly/15mDh4y (Abruf: 25.08.2013)
- Amazon, „LOLcat Bible“
- Hiroshi Nittono, Michiko Fukushima, Akihiro Yano, Hiroki Moriya, „The Power of Kawaii: Viewing Cute Images Promotes a Careful Behavior and Narrows Attentional Focus“, bit.ly/TE9e4w (Abruf: 25.08.2013)
- Ethan Zuckerman, „The Cute Cat Theory Talk at ETech“, bit.ly/11q1DB (Abruf: 25.08.2013)
- Grumpy Cat, „Grumpy Cat wins Meme of the Year at The 17th Annual Webby Awards!“, bit.ly/19SC8Go (Abruf: 25.08.2013)
- Amazon, „Grumpy Cat: A Grumpy Book“
- Amazon, „Grumpy Cat 2014 Wall Calendar“
- Zazzle, „Official Grumpy Cat Merchandise on Zazzle“, bit.ly/VLxTPA (Abruf: 25.08.2013)
- Frank Feil, „Grumppuccino: Der offizielle Grumpy Cat-Kaffee“, bit.ly/1aYfs47 (Abruf: 25.08.2013)
- Amazon, „Henri, le Chat Noir: The Existential Musings of an Angst-Filled Cat“
- Henri, Le Chat Noir, „Henri stuff.“, bit.ly/PC0jO7 (Abruf: 25.08.2013)
- Will Braden, „Henri 2, Paw de Deux“, bit.ly/16xVLey (Abruf: 25.08.2013)
- Kate Miltner, „SRSLY phenomenal: an investigation into the appeal of lolcats“, bit.ly/18WWRmi und re:publica, „re:publica 2013 – Kate Miltner: Cat Memes“, bit.ly/16xWGvC (Abruf: 25.08.2013)
- Wikipedia, „Grumpy Cat“, bit.ly/10h0gJw (Abruf: 25.08.2013)
- Victoria Slind-Flor, „Bayer, Apple, Spanx, Grumpy Cat: Intellectual Property“, bloom.bg/145ZMLB (Abruf: 25.08.2013)
- Kia Motors Deutschland, „Der Picanto ist Los!“, bit.ly/19FMMfW (Abruf: 25.08.2013)
- o2 uk official, „O2 – Be more dog“, bit.ly/19FMR3f (Abruf: 25.08.2013)
- IKEA cats, „Herding Cats“, bit.ly/un3n07 (Abruf: 25.08.2013)
- IKEA cats, „Happy Inside – IKEA cats advert“, bit.ly/d8hVWE (Abruf: 25.08.2013)
- Markus Sekulla, „#Weltkatzentag alias #WeltCommunityManagerTag“, bit.ly/16CKTAa (Abruf: 25.08.2013)
- WWF Schweiz, „Heute ist #Weltkatzentag!“, on.fb.me/173abJI (Abruf: 25.08.2013)
- Allianz Deutschland, „Weltkatzentag / Ein Miau auf die Katze“, on.fb.me/18cVaAt (Abruf: 25.08.2013)
- HRS, bit.ly/1dfEFM0 (Abruf: 25.08.2013)
- Mike Isaac, „People of South by Southwest — Please, Free Grumpy Cat“, dthin.gs/Z8JlrS (Abruf: 25.08.2013)
- Katzen-Forum, bit.ly/18Tf31M (Abruf: 25.08.2013)
- Toyota NZ, „The All New 2013 Toyota Corolla – Feels Good Inside TV Commercial“, bit.ly/T32UTB (Abruf: 25.08.2013)
- Facebook, „Katze stirbt für ihre Liebe zu Toyota – super Werbung :)“, bit.ly/16y1mSe (Abruf: 25.08.2013)
- Ogilvy & Mather Deutschland, „Heute gibt es die Katzenstrategie“, bit.ly/12AYZRg (Abruf: 25.08.2013)