von Maik Hartung
Kommunikation mit Multiplikatoren gehört zu den komplexen und anspruchsvollen Disziplinen im Marketing. Gerade wenn es um Produkte geht, die nicht Geschmacksfrage sind, wie beispielsweise Fashion-Accessoires, und außerdem individuell für den Endverbraucher hergestellt werden.
Zeiss hat sich in der Frühphase der Markteinführung der neuen Zeiss Digital Brillengläser trotzdem entschieden, auf systematische Blogger Relations zu setzen.
Viele Blogger sind selbst Zielgruppe der Digital Brillengläser von Zeiss. Außerdem lässt sich der Mehrwert der Brillengläser nur dann wirklich ersehen, wenn sie individuell angefertigt sind. Bei diesen beiden Voraussetzungen lag es nahe, ausgewählten Bloggern den Test der Digital Brillengläser anzubieten. Gemeinsam mit der spezialisierten Agentur cocodibu („cocodibu.de) entwickelte Carl Zeiss Vision eine Social-Media- und Content-Strategie, in deren Mittelpunkt die Beziehungen zu Bloggern standen.
Das Problem
Mehr als die Hälfte aller Deutschen (56 Prozent), so eine repräsentative Umfrage von Research Now im März 2014 unter Nutzern von Smartphones, klagen über müde Augen sowie über Kopf- oder Nackenschmerzen durch den häufigen Gebrauch ihrer Geräte. Rund 60 bis 80 mal, so die Studie, schaut das Gros der Deutschen täglich auf das Smartphone. Im häufigen Wechsel mit dem Blick in die Ferne entsteht so „digitaler Sehstress“.
Denn je häufiger der Blick zwischen digitalen Bildschirmen und der Ferne hin und her wechselt, desto anstrengender ist das für die Augen. Was in jungen Jahren selten ein Problem ist, kann schon ab einem Alter von 30 Jahren zu Beschwerden führen. Den meisten Menschen ist allerdings nicht bewusst, dass einige körperliche Beschwerden eventuell durch den Umgang mit den neuen digitalen Displays verursacht werden.
Zeiss Digital Brillengläser sind spezielle Brillengläser. Sie sollen eine gezielte Hilfe und Entlastung für die Augen der Generation „Head down“ sein, für die das intensive Nutzen von Smartphone, Tablet und Screens aller Größen zum Alltag gehört.
Social-Media-Ziel
Das Ziel der Blogger Relations war es, auf das Phänomen des digitalen Sehstresses aufmerksam zu machen und gleichzeitig interessierten Bloggern die Möglichkeit zu geben, die Digital Brillengläser selbst zu testen.
Social-Media-Strategie
Um Multiplikatoren mit den digitalen Brillengläsern in Verbindung zu bringen, setzte das Unternehmen auf eine dreistufige Strategie, die Owned Media, Paid Media und Earned Media vernetzte. Dabei wurden für die Erstansprache der Blogger drei Wege parallel beschritten: Eine gezielte persönliche Ansprache ausgewählter Blogs, die zum Thema passten, und entweder eine hohe Reichweite aufwiesen oder eine spannende Zielgruppe passgenau erreichten.
Onlinewerbung von Zeiss
Herzstück der Kampagne war dabei eine eigens für die Aktion geschaffene Content Page zu den digitalen Brillengläsern innerhalb der Zeiss-Webseite („zeiss.de/digitalglaeser) – mit den wichtigsten Fakten zum Thema, Video-Interviews mit Experten, Infografiken, Bildmaterial, einem Selbsttest zum digitalen Sehstress und vielem mehr. Alle Inhalte waren dabei „shareable“, also so wenig werblich, dass man sie als Blogger ohne Bauchschmerzen im Social Web teilen konnte. Das war auch deshalb wichtig, weil das Teilen von Inhalten ein Element der Blogger Relations war. Blogger hatten die freie Auswahl, welche Inhalte sie auf ihren Social-Media-Kanälen teilen wollten.
Um Blogger für die Aktion zu gewinnen, setzte das Unternehmen auf vier sogenannte „Premiumpartner“. Hierbei handelt es sich um renommierte, aber gänzlich unterschiedlich positionierte Blogs: „LousyPennies“ (Journalismus), „Whudat“ (Lifestyle), „Klonblog“ (Design) und „Mobilegeeks“ (Mobile). Sie wurden im Vorfeld gezielt ausgewählt, persönlich angesprochen und über einen längeren Zeitraum – mindestens zwei Monate – gebucht. Dabei wurden vom Website-Sponsoring über den Testeraufruf via Banner bis hin zum Sponsored Post unterschiedlich umfangreiche Maßnahmen eingesetzt.
Besonders interessant war es zu sehen, wie die Blogger beispielsweise mit dem Sponsoring eines ganzen Blogs umgingen. Karsten Lohmeyer von Lousy Pennies etwa hat in einem Interview (bit.ly/1CVgaeC) dieses Thema sehr offen und detailliert diskutiert.
Blogger, die an der Aktion teilnehmen wollten, konnten ihre Daten dann auf der Landing Page selbst in eine Maske eintragen. Sie hatten dabei die Wahl zwischen zwei Arten der Zusammenarbeit.
Blogpartner:
Diese integrierten für eine Fixsumme klassische Bannerwerbung für die Digital Brillengläser und teilten einen frei zu wählenden Inhalt der Content Page über ihre Social Networks.
Tester:
Diese integrierten ebenfalls Bannerwerbung und erhielten zusätzlich eine individuell vom Zeiss-Augenoptikpartner vor Ort angepasste Brille mit Zeiss Digital Brillengläsern. Ein Testbericht war erwünscht, aber keine Pflicht.
Die Zahl der „Bewerbungen“ überstieg die Zahl möglicher Partnerschaften um ein Vielfaches. Deshalb wurde ausgewählt, welche Blogs visuell, thematisch und von der Häufigkeit der Aktualisierung her am besten zum Produkt passten. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Blogger Werbepartner oder Tester sein wollte. Das Gros der Interessenten entschied sich freiwillig sowohl für eine Blogpartnerschaft als auch für den Test der Brillengläser.
Social-Media-Leistungswerte
Earned Media: Insgesamt nahmen weit mehr als zwei Dutzend Partner an der Aktion teil. Insgesamt wurden 14 sehr ausführliche und detaillierte Testberichte, ohne redaktionellen Einfluss von Zeiss, verfasst. Einige der Tester posteten auch Selfies mit den neuen Brillen. Die potentielle Reichweite der Kampagne lag bei 4,8 Millionen Visits/Monat.
Ein interessanter und positiver Nebeneffekt war, dass die Blogger in ihren Testberichten nicht nur ihren neuen Seherfahrungen widmeten, sondern häufig auch die jeweiligen Optiker erwähnten und lobten, die ihnen ihre neue Brille angepasst hatten.
Ein weiterer positiver Effekt war das SEO-Ranking. Wer heute nach Digital Brillengläsern googelt, findet unter den ersten zehn organischen Treffern mindestens fünf Testberichte von Bloggern.
Paid Media: Durch Bannerwerbung bei Blogpartnern und via Facebook Advertising wurden weiterhin knapp fünf Millionen Ad Impressions erzielt. Flankiert wurden die Banner durch Sponsored Posts auf ausgesuchten Websites.
Owned Media: Im Zeitraum von neun Wochen verzeichnete die Aktionsseite auf zeiss.de rund 10.000 Seitenaufrufe und die Videos zu den digitalen Brillengläsern etwa 3.500 Views. Um die Resonanz im Web zu scannen, wurde während der Aktion ein Social Media Monitoring betrieben, das ein ganzes Set an Keywords und natürlich den Hashtag der Aktion (#digitalglaeser) umfasste.
Ein kurz auftauchender Issue, der Shitstorm-Charakter hatte und zudem falsche Fakten aufführte, entstand zwischenzeitlich durch einen negativen Artikel auf der deutschen Huffington Post (huff.to/1CVhvCj). Noch bevor Zeiss Stellung bezog, antwortete jedoch einer der an der Aktion beteiligten Blogger und stellte die Behauptungen richtig. Ein Eingreifen des Unternehmens war danach nicht mehr notwendig.
Fazit
Die Meinungsbildner im Netz haben mit ihren freiwillig verfassten Erfahrungsartikeln zu den digitalen Brillengläsern von Zeiss den glaubwürdigsten Beitrag geliefert, den das Unternehmen kaum mit einer anderen Marketingmaßnahme erreicht hätte. Die gängigen Vorbehalte, die Unternehmen in der Regel im Zusammenhang mit Blogger Relations haben, bestätigten sich im Rahmen der Kampagne nicht.
Bei den Berichten blieben die Tester dabei immer sachlich und fair. Das Unternehmen war vom Umfang der Artikel positiv überrascht. Auch die nahezu durchweg positive Resonanz dem Produkt und der Kampagne gegenüber folgte von dem Erfolg der Kampagne.
Neben den eigentlichen Tests gab es sehr unterschiedliche Artikel zum Thema. Einige Blogger interviewten den Verantwortlichen der Kampagne. Andere sahen sich dazu motiviert, die Historie des Unternehmens Zeiss zu beleuchten. Hin und wieder wurden im Gesamtkontext auch andere Produkte des Unternehmens lobend erwähnt. Selbst kritische Anmerkungen wurden unter den Bloggern wechselseitig diskutiert. Die extra für die Landing Page produzierten Inhalte wurden im Social Web viral geteilt. Zudem hatte Zeiss eine neue Diskussion und Buzz im Web zum Thema „digitaler Sehstress“ ausgelöst.
Blogger Relations als Element des Marketing-Mix ist in jedem Fall für Unternehmen empfehlenswert. Das Thema Blogs ist nebst anderen Social-Media-Kanälen weiterhin ein sehr wichtiger Marketing-Kanal. Vor allem in der Frühphase eines neuen Produktes macht es Sinn Multiplikatoren mit einzubinden, um Produkteigenschaften zu testen und eine Initial-Berichterstattung darüber zu erzielen. Am weitesten, so die Erfahrung von Zeiss, kommt man dabei mit wechselseitiger Wertschätzung ohne inhaltlichen Druck. Das bedeutet auch persönlich, direkt und individuell mit den Bloggern zu kommunizieren. Blogger Relations alleine reichen für eine umfassende Markteinführung jedoch nicht aus. Dazu bedarf es zusätzlich reichweitenstärkerer Kanäle im Marketing-Mix.
Mit Blogger Relations kann man allerdings mit dem richtigen Ansatz Produkt- und Markenbotschafter finden, die man dann in die klassische Kampagnen erfolgreich einbinden kann.
Über den Autoren
Maik Hartung, Jahrgang 1970, Dipl.-Ing. (FH); Studium der Augenoptik an der Fachhochschule Aalen von 1995 bis 1999. Direkt im Anschluss Einstieg bei Zeiss als Produktmanager Brillengläser, 2004 Teamleitung Produktmanagement Brillengläser. Seit Juli 2006 hat er die Leitung des Bereiches Operatives Marketing der Carl Zeiss Vision GmbH Aalen für die Länder Deutschland, Österreich und der Schweiz inne.
info.vision.de@zeiss.com