Firewall
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vERBINDUNG hERGESTELLT

Kurzgeschichte aus dem Buch "Firewall"

von William Sen

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Der neue Herr Achtfach entfernt Boten und Lieferanten jeder Art.
Er stellt wichtige Akten nach versehentlicher Verspeisung wieder her,
filtert unbekannte Mitarbeiter und blockiert Praktikanten und Azubis.
Außerdem erhalten Sie den Sekretär
kostenlos dazu, der auch Ihr persönliches Zuhause vor Gästen
Nachbarn und Nachrichten effektiv schützt.

eXE

Die Drehtür drehte sich und ich kam am anderen Ende hinaus. Ich wusste zunächst nicht, wo ich überhaupt war, als ein Mann in grauer Hose und einem weißen Hemd mir eine Scanpistole an die Stirn hielt und dann mit hastigen und schnellen Handgelenkbewegungen signalisierte, dass ich nun weitergehen sollte. Im Eingangsbereich herrschte hektische Betriebsamkeit. Die Menschen, die von der Drehtür ausgespuckt wurden, liefen erst mit der Stirn gegen die Scanpistole, dann zu den Expressaufzügen in der Mitte des Gebäudes. Ich befand mich mitten in einem großen Unternehmen und wusste nicht, wie ich dort hineingeraten war.

Herr Einfach, ein in grauer Uniform gekleideter Sicherheitsmann, schlank und etwas mager, scannte mit einem kleinen Handscanner, den er wie eine Pistole hielt, jeden Ein- und Austretenden nach Abstammung, Zeitpunkt des Eintritts, Zielort und Zweck. Ich dagegen hatte weder einen Barcode auf der Stirn, noch wusste ich, was meine Aufgabe war. Und trotzdem war ich hier. Neugierig blickte ich nach unten zu meinem Körper, um mich selbst zu erkunden. Mir wurde klar, dass ich schon allein aufgrund meines bunten Anzugs dem allgemeinen Erscheinungsbild der Mitarbeiter nicht entsprach. An meiner rechten Gürtelseite trug ich eine eckige elektronische Einheit in der Größe eines mobilen Telefons, auf dem groß und deutlich „intern-extern Sendelogbuch“ eingraviert war.

Mein Sendelogbuch piepste: „Log 01“. In mir wuchs das Verlangen, das Gebäude so schnell wie möglich auszukundschaften. Wie ein gerade geschlüpftes Schildkrötenbaby instinktiv den Wunsch verspürt, vom Strand ins Wasser zu gelangen, lief ich zum nächsten Expressaufzug.


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Das Unternehmen war auf insgesamt acht Etagen verteilt. Mitarbeiter in langweiligen grau-schwarzen Anzügen benutzten die insgesamt vierundsechzig zur Verfügung stehenden Expressaufzüge, um von Etage zu Etage zu gelangen. Doch mir fiel auf, dass auch andere wohl zufällig hineingeratene Menschen bunte Anzüge trugen. Es waren unterschiedliche Gestalten, jung und alt, teilweise ebenfalls mit Sendelogbüchern ausgestattet.

Die Abteilungen waren in ständiger Interaktion miteinander. Sie telefonierten, faxten oder schickten sich Botschaften über ihre Arbeitsplätze. Einige Mitarbeiter waren notorische Raser. Sie hasteten durch die engen Flure hin und her, oftmals mit dem Ergebnis, dass sie aufeinander stießen und bewegungslos im Flur liegen blieben.

Das Desinteresse der Mitarbeiter gegenüber meinem Tun lag wohl auch daran, dass ich über die Fähigkeit verfügte, mich perfekt anzupassen und gut zu verstecken. So war es mir zum Beispiel sogar möglich, mich in einer Aktentasche zu verbergen.

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Die Sicherheitsabteilung hatte in den letzten Tagen einigen Anlass zur Sorge. Ihr war zu Ohren gekommen, dass immer wieder Unbefugte in das Gebäude eingedrungen waren. Man war sich einig, dass es sich in erster Linie um bunt gekleidete Menschen handelte, die den Sicherheitsscan des Herrn Einfach am Haupteingang offensichtlich ohne weiteres passiert hatten. Die meisten taten das nicht nur, um sich in den Büroräumen einzuquartieren. Sie hielten sich auch an ganz unscheinbaren Orten des Gebäudes auf, wie beispielsweise unter Tischen oder in Besenkammern.

In der Pressestelle hatte man Personen in Aktenschränken entdeckt, die dort offensichtlich seit Monaten unbemerkt lebten. Sie ernährten sich hauptsächlich von Abfällen aus den Papiereimern, verspeisten Kugelschreiber und hinterließen zudem überall dort ihre Essensreste, wo sie sich gerade aufhielten.

Eine unglaubliche Neugierde trieb mich an, Schränke zu öffnen. So entdeckte ich, dass sich dort nicht nur bunt gekleidete Menschen aufhielten, sondern auch Mitarbeiter mit Barcodes auf der Stirn, die sich anscheinend schon seit Jahren dort versteckt hielten.

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Die Mitarbeiter vermissten immer wieder wichtige Papierdokumente, deren Überbleibsel schon mal stückchenweise in den Büros verstreut wiedergefunden wurden. Selbst als Aktenschränke sich wie von Geisterhand öffneten und daraus Menschen emporstiegen, mit denen man sonst nie verkehrte, äußerte niemand einen Verdacht. Als später ein Mitarbeiter aus der Rechnungsabteilung auf unerklärliche Weise im Geschirrspüler verschwand, war man auch nur deswegen beunruhigt, weil man glaubte, Zeuge des Personalabbaus geworden zu sein. Zu diesem Zeitpunkt war die Existenz der bunten, kuriosen Menschen eben noch nicht bis in das Bewusstsein der Mitarbeiter vorgedrungen.

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Der Vorstand war natürlich überhaupt nicht von der Vorstellung angetan, dass sich Fremde in ihren Aktenschränken aufhalten konnten. Die Lösung dieses Problems sollte der neue Sicherheitsbeauftragte Herr Zweifach bieten. Er erhielt neben Herrn Einfach den Auftrag, vor dem Haupteingang des Gebäudes niemanden mehr Eintritt zu gewähren, der Schuhe trug. Die Eindringlinge, die sich unerwünscht in den Bürogebäuden tummelten, so hatte man in der Sicherheitsabteilung als eindeutiges Identifizierungs-Merkmal festgestellt, würden Schuhe tragen. Anfänglich gab es noch einige Missverständnisse, als Herr Zweifach auch echten Mitarbeitern und Kunden den Eintritt in das Gebäude verwehrte. Trotzdem war die Sicherheitsabteilung voll des Lobes für die Arbeit von Herrn Zweifach.

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Nun gelangten offensichtlich keine neuen unerwünschten Gäste mehr in das Unternehmen. Die noch in den Schränken und Aktentaschen Wohnenden mussten jedoch auch rückwirkend beseitigt werden. Es waren die Mitarbeiter des Bereichs Design, die als Erste selbst Hand anlegten, dabei jedoch dummerweise auch Mitarbeiter der Rechnungsabteilung versehentlich als ungebetene Gäste entlarvten und sie im Geschirrspüler verschwinden ließen. Ich hatte mir zwischenzeitlich aus reinem Selbsterhaltungstrieb heraus angewöhnt, einen großen Bogen um den Geschirrspüler zu machen, der sich in der Küche der Cafeteria im Erdgeschoss befand.

Um die Designabteilung schließlich von ihrer schweren Verantwortung zu entlasten, traf die Sicherheitsabteilung eine Entscheidung, die den Kuriositäten endlich ein Ende bereiten sollte. Die Reinigungsfirma Cleanfit war ihre Antwort auf die Misere. Cleanfit-Mitarbeiter in weißen Anzügen hatten täglich nach Menschen Ausschau zu halten, die nicht in das Unternehmen gehörten. Diese wurden dann mit allerdings reichlich rüden Methoden beseitigt. Das Schicksal der zwanghaften Kugelschreiber- und Papierfresser war somit besiegelt.

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Hin und wieder kam es vor, dass Cleanfit-Angestellte auch ganze Papierordner aus den Schränken ausräumten, obwohl ihnen wohl niemand diese Aufgabe erteilt hatte. Doch selbst solche Fehl-Cleanaktionen wurden von einigen Mitarbeitern als positiv aufgenommen und mit dem Vermerk versehen, man habe endlich wieder Platz in den Aktenschränken. Tatsächlich dachten einige Abteilungen, diese Maßnahmen seien beabsichtigt gewesen.

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Seit Cleanfit auch den Akten den Garaus zu machen begann, schleppten einige Mitarbeiter ihre Akten in schweren Umzugskartons mit nach Hause. Sie hatten verständlicherweise Angst, sie könnten der nächsten Cleanaktion zum Opfer fallen. Obwohl die Bedrohung durch die unerwünschten Aktenfresser eigentlich der Vergangenheit angehörte, saß die Bestürzung noch tief in den Köpfen. Und so geschah es, dass die Sicherheitsabteilung das Protokoll von Herrn Einfach über die Auslagerungen von Aktenordnern fehlinterpretierte. Alarmiert sahen sie darin einen Fall von Diebstahl und Spionage. Und dies, obwohl die Akten ja kurz darauf wieder auftauchten. Tatsächlich hatten die Mitarbeiter ihre Akten ja lediglich schützen wollen. Also wurde am Ende eine weitere, wie mir schien, etwas dürftige Maßnahme zur Verhinderung der Aktenauswanderung beschlossen. Herr Dreifach, der neue Sicherheitsbeamte, enterlaubte den Ein- und Ausgang von Akten, während Herr Zweifach nach wie vor für Schuhlosigkeit sorgte und Herr Einfach die Ein- und Austretenden in alter Manier mit seiner Scanpistole abarbeitete. Die Folge waren große Staus im Eingangsbereich, denen man wiederum damit zu entgegnen versuchte, dass man eine Drehtür installierte, die schneller war als alle ihre Vorgänger. Denn die neue Drehtür konnte parallel mehrere Mitarbeiter in einer Drehtürkammer transportieren. Letztendlich führte diese Maßnahme jedoch zu keinerlei Verbesserung, da Herr Einfach weiterhin jeden Einzelnen nur mit der bisherigen Geschwindigkeit scannen konnte.

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Obwohl die Putzarbeiter sich nun endlich an ihre Anweisung hielten, keine Akten zu cleanen, war die Besorgnis der Mitarbeiter weiterhin stark verbreitet, man könne Akten verlieren. Die Enterlaubung der Aktenwanderung hinderte die Mitarbeiter aber auch daran, die bereits ausgelagerten Akten zurückzubringen. Sowohl beim Betreten als auch Verlassen des Unternehmens wurden die Inhalte aller mitgeführter Umzugskartons von Herrn Dreifach herausgenommen, vernichtet und durch neue Akten versehen und mit dem Vermerk ersetzt: „Verdächtige Akte entdeckt und gelöscht“. Zudem war es vielen Schuhträgern nun nicht mehr möglich, das Unternehmen zu verlassen. Die Mitarbeiter dachten im Übereifer, dass Cleanfit und unerwünschte Gäste nur jene Schränke finden könnten, die auch an leicht einsehbaren Orten stünden. So verschleppten sie ihre Schränke und ließen sie von Hilfskräften an ungewöhnlichen oder weniger frequentierten Orten aufstellen. Dies hatte natürlich zur Folge, dass sich andere Mitarbeiter über die über Nacht bei ihnen aufgetauchten fremden Schränke beschwerten. Die Schrankwanderung wurde völlig missinterpretiert. Der neue Sicherheitsbeamte Herr Vierfach erhielt deshalb neben Herrn Dreifach, Zweifach und Einfach den Auftrag, keine Lieferanten mehr in das Unternehmen hineinzulassen, da man zunächst glaubte, es seien fremde Schränke von außen hineingebracht worden. Die Sicherheitsabteilung ging von Sabotage aus.

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Von den neuen Geschehnissen alarmiert, wurden weitere Enterlaubungen angeordnet. Fast jeder Mitarbeiter erhielt nun einen persönlichen Sekretär, der ähnliche Aufgaben erledigte, wie die Herren Vielfächer. Diese Maßnahme führte jedoch leider auch dazu, dass selbst angekündigten Kunden vor dem Eingang des Büros der Zugang verwehrt wurde, wenn sie überhaupt das Glück hatten, durch den Haupteingang des Gebäudes hineinzugelangen, was nur völlig schuhfrei möglich war.
Zu vielen Abteilungen konnte man telefonisch gar nicht mehr durchdringen, da man mit der Ansage „Anrufer unbekannt“ zurückgewiesen wurde. Entsprechend wurden selbst Schreiben an das Unternehmen mit dem Vermerk „Absender unbekannt“ zurückgestellt.

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Trotz all dieser Anstrengungen war es einigen neuen kuriosen Personen gelungen, in das Unternehmen einzudringen. Anfangs wusste man nicht, wie dies möglich sein könnte, schließlich kam man ja nur schuhlos hinein. Bald folgerte man, dass Schuhfreiheit nicht das einzige Erkennungsmerkmal für den Ausschluss von kuriosen Menschen sein durfte, hatten doch einige noch kuriosere Gestalten schlichtweg von vorneherein gar keine Schuhe angezogen und waren deshalb auch anstandslos hineingelassen worden. Wie sich diese unerwünschten Gäste trotz der Geheimhaltung im Unternehmen so schnell anpassen konnten, blieb der Sicherheitsabteilung allerdings ein Rätsel.

Zeitweise gab es einen regelrechten Ansturm unbekannter Gäste, obwohl die Herren Vielfächer konzentriert arbeiteten. Wenn solche nicht identifizierbare Gestalten in Massen auf das Unternehmen einstürmten, konnte es immer wieder gelingen, sich durch den Sicherheitscheck durchzuschmuggeln, teilweise sogar auch mit Schuhen.

Einige hatten sich selbst in weiße Anzüge geworfen, als Cleanfit-Angestellte getarnt, und liefen in dieser Aufmachung ungestört im Unternehmen umher. Sie konnten dann, ohne jegliche Aufmerksamkeit zu erregen, ihrer altbekannten Beschäftigung nachgehen, Akten und Schreibutensilien zu verspeisen und sich dabei ungestört in den Aktenschränken aufhalten.

Ein heilloses Durcheinander machte sich breit. Die Rechnungsabteilung zögerte nicht lange, hämisch mit dem Finger auf die Designabteilung zu verweisen. Andere Abteilungen machten die Controllingabteilung dafür verantwortlich, dass sie Kunden eingeladen hätten, die ihre Schuhe nicht auszögen. Die Sicherheitsabteilung stieß bei ihrer verzweifelten Suche nach Sicherheitslecks im Unternehmen auf immer weitere Indizien, nach denen unerwünschte Gäste und Saboteure das Unternehmen zu diffamieren versuchten.

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Später war es Herr Siebenfach, der als zusätzlicher Sicherheitsbeamte jeden Eindringling genauestens überprüfte. Einige Mitarbeiter hielten diese Maßnahme für übertrieben. Auch die Tatsache, dass bei einer Erkrankung von Herrn Siebenfach umgehend der Haupteingang verschlossen wurde, traf nicht überall auf Zustimmung. Zwar durften inzwischen wieder Schuhe getragen werden, einige der Mitarbeiter beklagten sich dennoch darüber, dass sie keine neuen, den Herren Vielfächern nicht bekannte Schuhe tragen durften. Ebenso konnte es geschehen, dass sich der Geschirrspüler aus Sicherheitsgründen nicht mehr öffnen ließ. Dafür entdeckte man gelegentlich gewaltsam gespültes Geschirr.

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vERBINDUNGSFEHLER

Meine Entdeckung war rein zufällig. Ein von Herrn Siebenfach beauftragter Helfer stellte mir eine Reihe eigentümlicher Fragen, die ich alle nicht beantworten konnte. Mein Sendelogbuch wurde unverschämterweise zerstört, noch bevor ich erklären konnte, dass ich nicht zu den Aktenfressern gehörte. So sehr ich mich auch dagegen wehrte, fand ich mich am Ende doch im Geschirrspüler wieder. Die letzte Meldung, die der Helfer abschickte, konnte ich gerade noch entschlüsseln. Aber wie sehr ich es auch aus dem Geschirrspüler heraus versuchte, ich konnte sie nicht mehr verhindern:
Trojanisches Pferd in Adresse 45 gefunden und gelöscht.

vERBINDUNG vERLOREN

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