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„NO COPY“ ist ein Buch über Gesetzesbrecher. Über die unbekannten Armeen von Menschen, die Tag für Tag und Nacht für Nacht hinter ihrem Computer hocken, um den Kopierschutz von Software, Filmen und Musik-CDs zu knacken, ihre Visitenkarte dranzuheften und die frei kopierbare Version an einen Kreis von Gleichgesinnten weiterzugeben.
William Sen, einer der beiden Autoren von „NO COPY„, hat selber jahrelang mitgespielt in dieser Szene. Als Schüler hat er mit dem Cracken angefangen.
„Man war ja sehr jung, ich war damals 14 oder 15. Und da spielte natürlich der Respekt eine ganz große Rolle: Man ist in seiner Szene eine Respektsperson, man erreicht einen Bekanntheitsgrad, ist ein Star in der digitalen Welt. Es ist natürlich klasse, wenn man reinkommt in diese Szene und alle beachten einen, man bekommt Zugänge überall, wo man hin möchte, man weiß genau: Der normale Benutzer würde diese Zugänge nie bekommen, das ist natürlich ein sehr starker Motivationsgrund.“
William Sen
Der Zugang zu den so genannten „Warez“, also: den gecrackten digitalen Inhalten, ist alles. Das Buch „NO COPY“ schildert ausführlich die harten Hierarchien der Crackerwelt. An der Spitze der Pyramide steht die so genannte Release-Szene. Sie beschafft das Material, zum Beispiel die illegale Kopie eines grade anlaufenden Kinofilms oder ein neues Computerprogramm – sie knackt den Kopierschutz und stellt die offene Version in ihr Netzwerk. Diese Szene ist zugleich die älteste, es gibt sie seit über 25 Jahren. Auf der zweiten Ebene steht die „FXP“-Szene, benannt nach einem technischen Standard. In diesen Cliquen gilt der Ehrgeiz dem Öffnen, also ebenfalls: Knacken neuer Server im Internet, als Ablageplätze für die heiße Ware. An dritter Stelle erst kommen dann die so genannten Gelegenheitskopierer: also jeder Computernutzer, der ein Filesharing-Programm wie Kazaa zuhause auf dem Rechner hat.
Die Kernthese der „NO COPY„-Autoren zu diesem Pyramidensystem hat einige Brisanz: Wenn die Hersteller von Software nicht seit Ende der 70er Jahre versuchen würden, ihre Inhalte gegen das freie Kopieren zu schützen, dann wäre die Crackerszene lang nicht so groß und so stark, wie sie es jetzt ist.
William Sen: „Wenn es keinen Kopierschutz gegeben hätte, dann hätten wir keine organisierte Szene. Das FBI bezeichnet immerhin diese Leute als ein „Syndikat“, das muss man sich mal vorstellen: Die Jungs sind verdammt gut organisiert. Ich bezweifle, dass eine derartige Organisation entstanden wäre, wenn der Faktor „Wettbewerb“ zwischen den Crackergruppen nicht vorhanden wäre. Und ohne Kopierschutz hätten wir einen solchen Wettbewerb nicht gehabt.
Wenn man sich heute die Gelegenheitskopierer ansieht, die Filesharing betreiben – die machen das Programm an und laden eine MP3-Musikdatei herunter. Deswegen sind sie aber noch lange nicht organisiert, auch wenn es vielleicht kleine Netzwerke und Foren gibt. Das sind aber keine so hierarchisch stark organisierten Gruppen, die im Untergrund nach ihren Prinzipien und Idealen arbeiten. Bei der Release-Szene dagegen hat man das.“
Bei aller Hierarchie und Organisation: Den anonymen Cliquen hinter ihren Rechnern geht es nicht darum, die Software- oder Unterhaltungsindustrie zu schädigen, und auch nicht darum, die Inhalte millionenfach unters Volk zu bringen. Dass am Ende meistens doch die geknackten Inhalte in Tauschnetzwerken frei zugänglich sind, gilt in der Szene eher als ärgerlich.
Beide Autoren des Buchs „NO COPY“ haben Erfahrungen in dieser Crackerwelt gesammelt. Dementsprechend viel Sympathie haben sie für die Szene. Trotzdem ist ihr Buch keine romantische Räuberpistole, sondern eine sehr kenntnisreiche und manchmal fast zu trockene Faktensammlung: Über die Entstehung der Cracker-Pyramiden, über die Fehler und schwachen Argumente der Software- und Unterhaltungsindustrie. Und: darüber, dass die Szene immer stärker geworden ist, seit es sie gibt.
William Sen: „Die Veränderung ist unglaublich interessant. Wir waren damals eine kleine elitäre Gemeinschaft von Leuten, wir waren nicht besonders viele, und wir hatten das Internet noch nicht. Dadurch waren wir ein bisschen abgeschottet. Dann kam das Internet – und viele Leute fühlten sich nicht mehr einzigartig. Da dachte ich: Okay, die Szene stirbt jetzt aus. Dann ist aber das genaue Gegenteil passiert: Die Leute haben es tatsächlich innerhalb dieser Strukturen geschafft, noch mal eine elitäre Verbindung zu bauen, die Strukturen sind jetzt noch tiefer im Untergrund verankert.
Eine weitere Sache ist die, dass die Industrie und die Polizei auf die Szene aufmerksam geworden ist und mit ihren Gegenaktionen, ihren „Busts“, und mit ihren Klagen angefangen hat. Dadurch hat sich die Szene dann noch weiter im Untergrund verschanzt. Ich finde das einerseits erschreckend, andererseits muss ich immer wieder sagen: Es ist faszinierend, was hier für eine Subkultur entstanden ist.“
von R. Röde
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