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Auch wenn Stallmans Thesen von vielen Kritikern als anti-ökonomisch betrachtet werden, spricht es für ihn, dass er schon in den 70er Jahren den Einfluß der Software auf die Gesellschaft erkannte. Betrachtet man die heutige Diskussion über Software, kann man durchaus behaupten, dass das Thema, mehr als vierzig Jahre nach der Computerrevolution, weder philosophisch noch wirtschaftlich eine klare Definition gefunden hat.
Dabei ist Software mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Lebens und bestimmt die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Welt. Sie ist das Gehirn und Herz des Computers. Ohne Software sind unsere Computer, die täglich für uns arbeiten, leer. Ohne sie werden wir nie die Grenzen eines Rechners ausloten oder gar überschreiten können. Was nützt eine komplexe Rechenmaschine mit viel Leistung, wenn sie keine Anweisungen erhält, mit denen sie arbeiten kann?
Stallman formulierte einst am MIT, dass eine gekaufte Hardware ohne die Erlaubnis, die Software beeinflussen zu dürfen, für den Benutzer wertlos sei. Zu diesem Schluss kam er, als er eines Tages den Code des Druckertreibers eines Xerox-Druckers beim Hersteller anfragte und dieser aufgrund des Copyrights die Herausgabe verweigerte. Die Tatsache, dass jemand eine Hardware herstellte, dann aber den Code der Software unter Verschluss hielt, ließ den jungen Stallman eine tiefe Antipathie gegen jegliche Art von Software-Copyright entwickeln.
Stallmans Haltung erscheint vielen überspitzt. In einigen Punkten ist sie jedoch keinesfalls abwegig. Mit Software kontrollieren Menschen Systeme aller Art. Software übernimmt mittlerweile steuernde, überwachende, helfende und warnende Funktionen in allen Lebensbereichen. In vielen Fällen rutscht die Hardware an zweite Stelle. Wenn beispielsweise vor zwanzig Jahren ein Rechner eine bestimmte Leistung nicht erbringen konnte, warf man ihm vor, nicht leistungsstark genug zu sein. In der heutigen Computerwelt ist es dagegen üblich geworden, mehr Leistung und Effektivität von der Software zu fordern.
Dabei ist Software nichts anderes als eine Ansammlung von Zahlen, die uns Menschen in Rohform unverständlich erscheint. Um sie zu verstehen, brauchen wir Hilfsmittel wie Betriebssysteme, die ebenfalls Software sind. Nur so können wir die komplexe Zahlenwelt der Computer überhaupt verstehen. Die Abhängigkeit von Software ist auch damit zu erklären, dass wir bereits Software benötigen, um Software zu erschaffen.
Mehr denn je ist der Anwender auf Softwareprodukte angewiesen, deren Hersteller eine Art Monopolstellung genießen. Der Idee Stallmans zufolge sollte jedoch der Nutzer selbst seine Gestaltungsräume individuell bestimmen können. Jeder sollte die freie Entscheidung haben, welche Software er für welche Aufgaben benutzen möchte. In einem Interview mit dem Online-Magazin Telepolis gab Stallman zu bedenken:
„1983 gab es auf einmal keine Möglichkeit mehr, einen auf dem aktuellen Stand der Technik befindlichen Computer ohne proprietäre Software zu bekommen, ihn zum Laufen zu bringen und zu nutzen. Es gab zwar unterschiedliche Betriebssysteme, aber sie waren alle proprietär, was bedeutet, dass man eine Lizenz unterschreiben muss, keine Kopien mit anderen Nutzern austauschen darf und nicht erfahren kann, wie das System arbeitet. Das ist eine Gräben öffnende, schreckliche Situation, in der Individuen hilflos von einem ›Meister‹ abhängen, der alles kontrolliert, was mit der Software gemacht wird.“
Die logische Schlussfolgerung für Stallman war GNU. Es sollte ein freies System sein, das von allen kopierbar und veränderbar war. In seinem Manifest warf er der Softwareindustrie unter anderem vor, ihre Software vom Anwender isolieren zu wollen. Sie würde gegen das Gebot der Nächstenliebe verstoßen, indem sie den Anwendern verbietet, Programme zu teilen. Stallman wollte mit seiner Ideologie das „digitale Denken“ grundsätzlich verändern.
Um den nötigen finanziellen Rahmen für seine Unternehmung zu schaffen, gründete Stallman 1985 die „Free Software Foundation“ (FSF). Der gemeinnützige Verein sollte die Basis für das ideologische System GNU bilden. Das Projekt wurde mit der Zeit immer bekannter und fand innerhalb weniger Jahre zahlreiche Anhänger. Schließlich beteiligten sich sogar Unternehmen an dem Projekt, und die FSF konnte neben vielen freiwilligen Programmierern auch einige feste einstellen. Die Ideologie, die Stallman formuliert hatte, veranlasste Tausende Programmierer, ihre Software unter verschiedenen GNU-Definitionen kostenlos und „frei“ der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.
Die FSF definiert noch heute mehrere GNU-Lizenzmodelle als Leitfaden für die „Freiheit der Software“. Aus diesen Modellen entwickelten sich weitere Begriffe wie „Copyleft“, „Open Source“, „Creative Commons License“, „Public Domain“ und viele mehr. Vor allem „Open Source“ wird heute oft synonym mit „Freie Software“ benutzt. Laut der „Open Source Initiative“ kann man bei einer Software dann von einem Open-Source-Programm sprechen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Die Software (der Programmcode) liegt in einer für den Menschen lesbaren und verständlichen Form vor
- Die Software darf beliebig kopiert, verbreitet und genutzt werden
- Die Software darf verändert und in der veränderten Form weiter gegeben werden
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