Über NO COPY |
Kapitelinhalt |
Autoren |
Rezensionen |
Archiv
Rechtlich ist dem Dateiaustausch mit Filesharing-Programmen nur schwer beizukommen. Die Tauschbörsen selbst sind aus juristischer Sicht zunächst einmal nicht mehr als ein gewöhnliches Softwareprodukt. Schließlich bieten sie selbst keine Schwarzkopien an, sondern lediglich eine Technologie, die einen Austausch von Dateien ermöglicht. Mit derartigen Programmen können durchaus auch freie Daten, wie beispielsweise selbsterstellte Musik, getauscht werden. So ist gerade die Tauschbörse BitTorrent dafür gedacht, große legale Dateien, wie das freie Betriebssystem Linux, rasch verbreiten zu können. Zu seinen Nutzern zählt BitTorrent auch Peter Jackson. Der Herr der Ringe-Regisseur verbreitete über die Tauschbörse ein tägliches Video-Tagebuch vom Dreh seiner King Kong-Verfilmung. Es existieren sogar alternative TV-Netze, die mit Hilfe von BitTorrent eine von den kommerziellen Sendern unabhängige Medienlandschaft aufbauen.
Viele Jahre lang galt es als unstrittig, dass der Austausch geschützter Dateien allein in der Verantwortung der Nutzer liegt. Auch Videorecorder sind nicht illegal, nur weil man mit ihnen auch Urheberrechtsverletzungen begehen könnte. Erst ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA brachte diese Ansicht ins Wanken. Im Juni 2005 wurde dort nach einem Jahre andauernden Rechtsstreit der US-Unterhaltungsindustrie gegen die Tauschbörsen Grokster und Morpheus entschieden, dass die Betreiber von Filesharing-Programmen durchaus für Verstöße gegen das Urheberrecht haftbar gemacht werden können. Sofort wurden zahlreiche kritische Stimmen laut, einige befürchteten sogar ein Ende des Filesharings und eine Bremswirkung für technische Innovationen. Bei näherer Betrachtung war das Urteil jedoch weniger einschneidend als zunächst angenommen. Das Gericht nannte als Voraussetzung für eine Klage gegen Tauschbörsenbetreiber, dass die Software explizit für illegale Zwecke entworfen sein müsse. Tauschbörsensoftware wurde also nicht grundsätzlich für illegal erklärt. Vielmehr muss bei jeder einzelnen Klage vor Gericht geklärt werden, ob eine Verletzung des Urheberrechts von der Entwicklerfirma geplant war oder nicht.
Dieser Nachweis dürfte von der Musikindustrie jedoch nur schwer zu erbringen sein. Hinzu kommt, dass hinter zahlreichen Tauschbörsen wie zum Beispiel BitTorrent gar keine Firma mehr steht, die man verklagen könnte. Zudem werden oft auch legale Dateien getauscht. Ohnehin dürfte eine Klage gegen eine Tauschbörsenfirma Jahre dauern. Ob es die verklagte Tauschbörse dann überhaupt noch gibt, ist fraglich. In jedem Fall dürften bis zu einem Urteil schon wieder viele neue Tauschbörsen entstanden sein, über die sich die Internetnutzer mit Schwarzkopien versorgen.
Obwohl die Filesharing-Technik an sich nach wie vor legal ist, kann sie sich aufgrund der überwiegend illegalen Nutzung schwer als ein rechtmäßiger Teil des Internets behaupten. Der spanische Professor Jorge Cortell beispielsweise hielt an der Universität Valencia einen Vortrag über Filesharing und befasste sich zur Abwechslung mit den legalen Nutzungsmöglichkeiten dieser Technik. Nach massivem Druck spanischer Verwertungsgesellschaften zwang die Universität den Professor im Mai 2005 schließlich zur Kündigung.
Trotz oder gerade wegen der zumeist illegalen Nutzung ist Filesharing mittlerweile zum Allgemeingut geworden. Viele Millionen Menschen auf der ganzen Welt laden Musik, Software, Filme und Bücher herunter. Manche Internetanbieter werben sogar damit, dass ihre Leitungen für Filesharing-Netzwerke ausgestattet sind. Mit schnelleren Verbindungen und der Möglichkeit des Filesharings lassen sich neue Kunden für die Telekommunikationsindustrie gewinnen. Daher liegt die Unterhaltungsindustrie auch mit Internetanbietern im Streit. Bereits im Januar 2003 verklagte die RIAA den Anbieter Verizon, der sich geweigert hatte, die Daten eines Kunden herauszugeben. Dieser hatte angeblich Musiktitel von Janet Jackson und anderen Künstlern getauscht. Seitdem kommt es immer wieder zu Klagen gegen Anbieter, die sich entschieden gegen die Herausgabe von Kundendaten wehren.
Wäre es nach der Unterhaltungsindustrie gegangen, wäre auch
der erste tragbare MP3-Player, der „Rio PMP300“ der Firma Diamond Multimedia, nie erschienen. Mit einer Klage versuchte die RIAA 1998 erfolglos die Markteinführung des Rio PMP300 zu verhindern. Geräte wie Apples MP3-Spieler iPod oder weitere Produkte, die sich heute als Verkaufsschlager erweisen, wären dann in dieser Form nicht möglich gewesen. So scheint es, als würde sich die Unterhaltungsindustrie gegen jeden technischen Fortschritt stellen, der ihre konservative Verkaufsstrategie behindern könnte. Wäre das Internet ein Produkt, würde die Unterhaltungsindustrie womöglich versuchen, es aus dem Markt zu klagen.
Die Filesharing-Nutzer selbst sind wohl nur durch ihre große Anzahl vor Klagen der Industrie geschützt. Das Rückverfolgen und Verklagen von Millionen Nutzern ist schlichtweg unmöglich. Eher aus Gründen der Abschreckung werden daher von der Musik- und Filmindustrie immer wieder Prozesse angestrengt, in denen an einzelnen Nutzern Exempel statuiert werden. „Raubkopierer haben keinen Grund, sich sicher zu fühlen“, macht GVU-Geschäftsführer Joachim Tielke die Strategie der Unterhaltungsindustrie deutlich.
Allen Anstrengungen zum Trotz steigen die Nutzerzahlen kontinuierlich an. Nach einer Analyse des Internetmagazins Slyck hat sich die Zahl der in Tauschbörsen angemeldeten Nutzer in der Zeit von 2003 bis 2005 nahezu verdoppelt. Dabei ist die populäre Tauschbörse BitTorrent nicht einmal in der Studie enthalten, da es laut Slyck technisch nicht möglich ist, ihre Nutzerzahlen korrekt zu ermitteln. Gemessen werden kann hingegen ihr Anteil am Internetdatenverkehr. Laut einer Studie des britischen Unternehmens CacheLogic geht mehr als ein Drittel des sogenannten Traffics auf das Konto von BitTorrent. Insgesamt soll Filesharing für bis zu 80% des gesamten Datenverkehrs im Internet verantwortlich sein.
Die Film- und Musikwirtschaft hat ihr „Napstertrauma“ also noch lange nicht überwunden. Auch damals stiegen trotz diverser Klagen die Nutzerzahlen weiter an, und selbst die Schließung Napsters hatte noch mehr Filesharing-Nutzer zur Folge. In den Jahren danach sind viele neue Programme entstanden und viele wieder verschwunden. Die Tauschbörsenfans schienen ihren Verfolgern jedoch stets um zwei Schritte voraus.
Die Geschichte des Filesharings hat bislang vor allem eines gezeigt: Bevor die Unterhaltungsindustrie ein Problem lösen kann, sind längst neue entstanden.
Über NO COPY |
Kapitelinhalt |
Autoren |
Rezensionen |
Archiv