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In den ersten Jahren des Internetbooms beschränkten sich die Bemühungen der Industrie noch auf die vermeintlich „großen Fische“.
Verfolgt wurden nur diejenigen, die massenhaft Warez im Internet anboten, in Release Groups für die Verbreitung von Filmen verantwortlich waren oder gar professionell Schwarzkopien verkauften.
Theoretisch kann jeder Tauschbörsennutzer, der keine Verschleierungsmethoden nutzt, identifiziert und angeklagt werden. Es gibt jedoch Millionen Schwarzkopierer, die sich täglich im Internet mit Warez versorgen. Die Verfolgung jedes Nutzers ist aufgrund der immensen Zahl nicht möglich. Es lassen sich daher immer nur einige wenige exemplarisch verfolgen.
Zunächst schien das nicht im Interesse der Industrie zu sein. Vielmehr wurden die eigentlichen Betreiber der Tauschbörsen bekämpft, jedoch mit wenig Erfolg. Als die Umsätze der Unterhaltungsindustrie weiter sanken und die Filesharing-Nutzung immer mehr zunahm, entschloß man sich schließlich zu vermeintlich abschreckenden Maßnahmen. 2002 wurden erstmals Pläne der RIAA publik, auch gegen Nutzer der Tauschbörsen mit juristischen Mitteln vorzugehen.
Es wurde angekündigt, nur diejenigen zu verklagen, die auch selber Dateien in den Tauschbörsen anbieten. Doch im Grunde trifft das auf fast jeden Nutzer zu. Es ist schließlich das Prinzip des Gebens und Nehmens, das zur Teilnahme motiviert. Zugleich herrschte aber bei einigen Plattenfirmen noch ein gewisser Vorbehalt. Sie fürchteten negative Reaktionen bei den Musikfans, wenn nun auch einfache Computernutzer ins Visier der Industrieanwälte rückten.
Trotz aller Skepsis war es im Juni 2003 soweit. Die RIAA gab bekannt, in den folgenden Wochen Beweise für mögliche Prozesse gegen Tauschhbörsen-Nutzer zu sammeln. Mit Hilfe spezieller Software wolle man die Tauschbörsen durchkämmen und IP-Adressen von Nutzern identifizieren, die Dateien bereitstellten. Dies sei dann die Grundlage, um womöglich Tausende Nutzer auf Schadensersatz zu verklagen. „Das Gesetz ist eindeutig, und die Botschaft an diejenigen, die erhebliche Mengen von Musik online verbreiten, sollte genauso eindeutig sein. Diese Aktivität ist illegal, man ist dabei nicht anonym, und sich darauf einzulassen kann reale Konsequenzen haben“, erklärte der Präsident der RIAA, Cary Sherman.
Die Kritik von Nutzern und Verbraucherschützern fiel wie erwartet heftig aus. „Ich denke, das zeigt endgültig, dass die Dinosaurier der Plattenindustrie nun völlig den Bezug zur Realität verloren haben“, sagte Fred Von Lohmann, Anwalt der Electronic Frontier Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für Bürgerrechte in der digitalen Welt einsetzt: „Über 57 Millionen Amerikaner benutzen heutzutage Filesharing-Software. Das sind mehr Menschen, als für Präsident Bush gestimmt haben.“
Die RIAA zeigte sich jedoch unbeeindruckt und setzte ihre Ermittlungen fort. Statt der befürchteten Tausenden von Klagen wurden anfangs lediglich 261 Tauschbörsennutzer verklagt. Diese hatten laut RIAA meist über tausend Songs zum Download angeboten. Verglichen mit anderen Nutzern, war das keine große Zahl. Vielmehr erweckte das Vorgehen der RIAA den Eindruck, dass ein Exempel statuiert werden sollte. Allerdings mussten die meisten der Angeklagten nicht einmal vor einem Richter erscheinen. Die RIAA einigte sich statt dessen in Vergleichen auf Zahlungen von vorwiegend mehreren tausend Dollar.
Für besonderes Aufsehen sorgte dabei der Fall der damals zwölfjährigen Brianna LaHara. Das Mädchen, das zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder in einer New Yorker Sozialwohnung lebte, hatte die Tauschbörse Kazaa benutzt und war eine der 261 Angeklagten. Unter dem Druck der Öffentlichkeit ließ die Plattenindustrie die Klage schnell fallen. Eine außergerichtliche Zahlung von 2.000 Dollar wurde für Briannas Mutter dennoch fällig.
Außerdem musste die RIAA die Klage gegen eine Rentnerin fallen lassen, die glaubhaft versichern konnte, die Tauschbörse Kazaa nie benutzt zu haben. Die PC-Software war damals gar nicht kompatibel zu ihrem Apple-Computer gewesen. Und sie höre klassische Musik und Folk, nicht aber Rock- oder HipHop-Songs, die sie laut RIAA getauscht haben sollte.
Die deutsche Musikindustrie kündigte im August 2003 an, dem Vorbild der US-Industrie folgen zu wollen. „Wir werden die Zügel massiv anziehen“, sagte dazu Balthasar Schramm von Sony Music Deutschland. Im März 2004 teilte der deutsche Zweig der IFPI mit, Strafanzeige gegen 68 Tauschbörsennutzer gestellt zu haben. Die Ehre, als erster deutscher Filesharer verurteilt zu werden, wurde einem Auszubildenden aus Cottbus zuteil. Er zahlte 400 Euro Geldstrafe, und die IFPI einigte sich mit ihm in einem Vergleich auf die Zahlung von 8.000 Euro Schadensersatz. Interessant an seinem Fall war dabei vor allem die Öffentlichkeitsarbeit des Branchenverbandes. Dessen Meldungen versuchten stets den Eindruck zu erwecken, der Azubi sei wegen des Anbietens mehrerer tausend Musiktitel verurteilt worden. Angeboten hatte der 23jährige in der Tauschbörse Kazaa aber gerade einmal 272 Dateien. Und auch nur hierauf bezog sich letztendlich das Gerichtsurteil. Neben dem Cottbuser Azubi verklagte die Musikindustrie weiterhin die gesamte Bandbreite der Tauschbörsennutzer. Ein 57jähriger Lehrer musste ebenso Schadensersatz leisten wie eine 16jährige Schülerin, ein Schreiner und mehrere Studenten.
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