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Wenn Lawrence Lessig vom aktuellen Copyright spricht, dann selten in einem positiven Zusammenhang. In vielen Reden, Schriften und mehreren Büchern kritisiert er vehement das restriktive Urheberrecht für geistiges Eigentum. Seiner Meinung nach ist es wichtig, dass Ideen und Werke in gewissem Maße weiterbenutzt und als Grundlage für neue Werke verwendet werden dürfen. Ein zu rigides Copyright verhindere dies jedoch. Lessig entwickelte daher das Konzept einer „freien Kultur“ und gründete die Creative-Commons-Initiative, die sich für ein gelockertes Urheberrecht einsetzt. Lessig ist Juraprofessor an der Elite-Universität Stanford in Kalifornien und gilt als der führende Experte im Bereich des internationalen Urheberrechts, insbesondere in bezug auf digitale Medien.
Im Internet gibt es viele große Communitys. Man denke nur an Linux oder die Open-Source-Verfechter. Glauben Sie wirklich, dass die Industrie all deren Ideen mit Hilfe des Copyrights unterdrücken möchte?
Ich denke nicht, dass sie all diese Ideen unterdrücken werden. Aber ich denke, es ist ein falsches Verständnis von Freiheit, wenn jemand glaubt, er sei frei, nur weil einige wenige der Unterdrückung entkommen können. Man würde die ehemalige Sowjetunion nicht als »frei« bezeichnen, nur weil einige Menschen auf dem Schwarzmarkt die Unterdrückung umgehen konnten.
Aber man sieht doch, wie viele Hacker jederzeit die Schutzmechanismen knacken können.
Man kann in unserer Welt nicht davon sprechen, dass wir in einer „freien Kultur“ leben, nur weil einige Hacker in der Lage sind, die Schutz- und Kontrollmechanismen zu umgehen. Ich denke, eine freie Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die die Freiheit sowenig wie möglich einschränkt. Und es ist eben keine Gesellschaft, die Menschen dazu bringt, Beschränkungen zu hacken.
Werden die Restriktionen dazu führen, dass die Gegenbewegung immer stärker wird? Ein Beispiel ist die Linux-Community.
Nein, das denke ich nicht. Denn die Menschen, die von den Beschränkungen betroffen sind, sind sehr verschieden. Um Linux zu programmieren, muss man zunächst einmal kein Gesetz brechen. Wenn man für Linux programmiert, kann man dabei von Institutionen wie zum Beispiel Universitäten unterstützt werden. Um aber einen Kopierschutz zu umgehen, muss man das Gesetz brechen. Eine Unterstützung erhält man dann natürlich nicht. Selbst die Universitäten sind so zu Erfüllungsgehilfen des Copyright-Systems geworden.
Denken Sie, dass die legale Bewegung aufgrund der Copyright-Bestimmungen keine Chance hat, für Veränderungen zu sorgen?
Ich würde nicht sagen, dass sie gar keine Chance hat. Aber ich denke, dass die Beschränkungen weit über das hinausgehen, was einer freien Gesellschaft angemessen ist.
Glauben Sie, dass eines Tages der Widerstand so groß werden könnte, dass die Copyright-Vertreter und die Gegner zu einem Kompromiss finden?
Es könnte passieren, dass einige schlaue Leute eines Tages herausfinden, dass Überregulierung das Potential ihres Marktes zerstört. Damit hätten sie auch recht. Aber es gibt viele Industrien, die diese Option heute nicht haben. Denn ihr Erfolg basiert darauf, dass sie eine gewisse Freiheit und Kreativität zerstören. Die Musikindustrie insgesamt könnte in einem freieren Rechtssystem mit Leichtigkeit aufblühen. Nur die Plattenfirmen könnten das nicht. Die Freiheit hängt also davon ab, mit was für einer Art Industrie man es zu tun hat.
Die Musikindustrie verklagt ja nun seit einiger Zeit Filesharing-Nutzer und damit zum Teil sicher auch ihre eigenen Kunden. Ist das der richtige Weg, um die Umsätze wieder zu erhöhen?
Nein, aber ich verstehe, warum sie es machen. Und es wird eine Menge an kreativem Denken von seiten der Industrie erforderlich sein, damit sie erkennen, warum diese Vorgehensweise falsch ist.
Sind legale Download-Portale wie iTunes der bessere Weg?
Es ist besser als der Krieg, weil man so Zugang zu Dingen bekommt, die ansonsten nicht so leicht zugänglich wären. Was mich an iTunes beunruhigt, ist, dass das System auf einer Struktur von Kopierschutzmechanismen aufbaut. Ein Kopierschutz schränkt Menschen darin ein, Musik in einer Art neu zu nutzen und zu remixen, die sehr wichtig sein könnte für die kulturelle Entwicklung. Vielleicht wird die Industrie eines Tages die Beschränkungen aufheben, weil sie nur so ihre Verkäufe steigern kann. Sehen
Sie die Chance, dass die Kopierschutzmaßnahmen eines Tages verschwinden werden?
Ich denke, sie sollten verschwinden. Ich bin mir nicht sicher, ob iTunes es mehr oder weniger wahrscheinlich macht, dass sie verschwinden. Ich habe aber die Befürchtung, dass iTunes es weniger wahrscheinlich macht.
Glauben Sie, dass es die Haltung der Industrie ändern könnte, wenn die Menschen sich weigern würden zu kaufen und statt dessen nur noch downloaden?
Natürlich, aber ich sehe keine realistische Perspektive, dass das geschieht. Es gibt zwar einige Bewegungen, aber es ist ein Problem des kollektiven Handelns, das man nicht lösen kann. Um effektiv zu sein, bräuchte man die Beteiligung von mindestens 15% der Konsumenten. Und ich glaube nicht, dass das möglich sein wird.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Was wird Ihrer Meinung nach passieren, wenn die Industrie all ihre Ziele hinsichtlich eines restriktiven Copyrights verwirklichen kann?
Ich denke, das Aufregendste am Internet ist sein Potential für eine aktive Kultur, in der Verbraucher sowohl konsumieren als auch kreieren. Wikipedia ist ein gutes Beispiel. Aber es gibt auch viele andere Beispiele von Menschen, die das Internet in einer fantastischen Weise nutzen, um kreativ zu sein und ihre Kreativität zu verbreiten. Und das auf eine Art, wie wir es uns niemals hätten vorstellen können. Das ist das Potential, von dem ich hoffe, dass wir es erschließen. Die Gefahr ist, dass die Industrie es schafft, Schutzmaßnahmen genau so umzusetzen, wie sie es sich erhofft. Das ganze Potential wird zerstört, indem man das Internet zu einem Ort der Passivität macht. Einem Ort, der zwar gut geeignet ist, um Produkte zu verkaufen, der aber den Leuten nicht mehr erlaubt, kreativ zu sein. Wo man eben viele Inhalte schnell und günstig downloaden und benutzen kann, jedoch keine Inhalte, die man auch weiterverarbeiten und remixen darf. Es käme zu einem Innovationsstillstand.
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