Durch das kontinuierliche Entfernen des Kopierschutzes der Originalsoftware machten sich Cracking Groups nicht nur bei Insidern auf der ganzen Welt einen Namen, sondern auch bei den gewöhnlichen Gelegenheitskopierern.
Um ihren Gruppennamen zusammen mit der gecrackten Software möglichst auffällig verbreiten zu können, bauten sie jedesmal einen Vorspann in die Software ein. Dieses sogenannte Cracktro – ein Begriff, der sich aus den Wörtern Crack und Intro zusammensetzt – hatte einzig und allein die Aufgabe, als Werbefläche für den eigenen Gruppennamen zu dienen. Es wurde vor dem Start der eigentlichen Software platziert und manifestierte den Namen der Cracking Group.
Wie knackt man einen Kopierschutz?
Bald zeigte sich, dass eine Cracking Group am effektivsten cracken konnte, wenn sie einer bestimmten Arbeitsteilung folgte.
Es bildete sich eine Organisationsform heraus, bei der Spezialisten für verschiedene Tätigkeiten im Prozess des Crackens eingesetzt wurden. So übernahmen manche Mitglieder die Beschaffung der Software, während andere nur für das Knacken des Kopierschutzes oder für die Erstellung der Cracktros zuständig waren.
Der Anreiz für die Cracking Groups bestand jedoch nicht darin, der Softwareindustrie Schaden zuzufügen. Sie wollten sich vielmehr mit anderen Cracking Groups messen. Ihr Antrieb war es, die erste Gruppe zu sein, die eine Software als geknackte Kopie veröffentlichte. Eine solche Erstveröffentlichung wurde Major Release genannt.
Cracktros werden zur Kunst
Auch versuchten die Cracking Groups, in ihren Cracktros die beste Grafik und Musik innerhalb der Szene vorweisen zu können.
Kommerzielle Vorteile durch den Nichterwerb von Software sind zu jener Zeit nicht die treibende Kraft gewesen. Hinzu kam, dass zur damaligen Zeit ein Unrechtsbewusstsein kaum vorhanden war. Das Kopieren von Programmen wurde, ähnlich wie das Kopieren von Schallplatten auf Musikkassetten, als Selbstverständlichkeit empfunden. Der Kopierschutz war lediglich ein lästiges Hindernis, das es schnell zu umgehen galt.
Hackerkultur wird zur Crackerkultur
Die Cracker bildeten eine Subkultur, die ähnlich dachte und agierte wie die parallel weiter existierende Hackerkultur.
Das Motiv der Technikbegeisterung war das gleiche wie bei der Entstehung der ersten Hackerclubs. Die Vorstellung, bestehende Hindernisse durch technische Innovationen zu überwinden, war im Handeln der Cracker verankert, obwohl beide Kulturen nicht direkt miteinander kommunizierten. Die Crackerszene bildete sich zu einer Zeit des Spielebooms, auch ohne die Hackerkultur bewusst als Vorbild genommen zu haben. Dennoch teilte sie die Auffassung der Hacker, dass es legitim sei, eine Zugangsbeschränkung zu umgehen. Auch wenn sie nicht die strenge Ethik der Hacker übernahm, lebte der Grundsatz der „freien Information“ bei ihr fort.
Kopiergeschützte Programme waren somit einerseits ein Hindernis, der eigenen Begeisterung nachzugehen, und zugleich eine Herausforderung. Die meisten Cracker wollten einfach nur zeigen, dass sie die von den Softwarefirmen als unknackbar angekündigte Software bezwingen konnten. Erst der dadurch entstehende Wettstreit machte es möglich, dass sich aus der bloßen Faszination heraus eine weltweit agierende Subkultur entwickeln konnte. Mit der Entstehung einer globalen Softwareindustrie, die mit verschiedensten Methoden versuchte, ihre Software vor dem Kopieren zu schützen, entstand gleichzeitig ein unsichtbares Netzwerk. Millionen von Kopien gecrackter Software fanden darüber ihren Weg zum Konsumenten.
von Jan Krömer und William Sen
Buchautoren und Journalisten
Jan Krömer und Dr. William Sen sind u. a. Autoren des Buchs "NO COPY - Die Welt der digitalen Raubkopie" - erschienen im Klett-Cotta Verlag. Das Buch sorgte vor allem in Deutschland für Aufklärung für das Verständnis für Raubkopien und untersuchte kritisch das gesellschaftliche und auch ökonomische Grundverständnis für "die Kopie".
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