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Das Programm, mit dem sich die Idee des Filesharings endgültig durchsetzte, war Napster. Obwohl Napster ein kleines unscheinbares Programm war, mit dem man nur MP3-Musiktitel tauschen konnte, revolutionierte es die Welt der Warez. Internetnutzer mussten sich nicht länger durch unübersichtliche Webwarez-Sites quälen, sie mussten sich auch nicht mehr mühsam in eine Szene einarbeiten, um Warez aus dem Internet herunterladen zu können. Dank Napster wurde Filesharing zum Eldorado der Gelegenheitskopierer.
Entwickelt wurde Napster Ende der 90er Jahre vom damals achtzehnjährigen Shawn Fanning. Fanning studierte Informatik an der Northeastern University in Boston, wo er auch einer Gruppe von Hackern angehörte. Sein Spitzname war „Napster“.
Die Geschichte von Napster zeigt beispielhaft, wie aus der Begeisterung eines Hackers ein weltweit beachtetes Produkt entstehen kann. An der Universität lud ein damaliger Zimmergenosse Fannings leidenschaftlich gern MP3-Dateien von Websites herunter. Wie jeder Nutzer zu der Zeit kämpfte er dabei mit den Unzulänglichkeiten der Webwarez-Sites. Er klagte über die mühsame Suche nach bestimmten Titeln sowie über fehlerhafte Websites, die viele Dateien gar nicht enthielten. Zudem wurden manche Sites bereits nach wenigen Ta-gen wieder geschlossen, und es musste eine neue Quelle für die MP3-Dateien gefunden werden. Der Frust seines Kommilitonen weckte Fannings Hackerehrgeiz. Er suchte nach einer Lösung des Problems und begann 1998 mit der Entwicklung von Napster. Hilfe bekam er dabei von seinen Hackerkollegen Sean Parker und Jordan Ritter.
Das Prinzip von Napster war so einfach wie genial. Das Programm verband alle Nutzer, die bereit waren, MP3-Daten mit anderen Teilnehmern übers Internet zu tauschen. Jeder Nutzer sollte sowohl Songs nehmen als auch geben können. Der Zugriff erfolgte direkt auf die Festplatte der jeweiligen Teilnehmer. Napster erlaubte zudem eine bequeme Suche. Man musste nur den Interpretennamen oder Songtitel eingeben, um innerhalb von Sekunden fündig zu werden. Aus einer Liste der Nutzer, die den gewünschten Titel im Angebot hatten, wählte der Suchende einen Tauschpartner, und die entsprechende MP3-Datei wurde übers Internet direkt von einem Computer zum anderen versendet. Die Benutzung von Napster war an eine zentrale Datenbank gebunden, und genau diese zentrale Abhängigkeit sollte Napster später zum Verhängnis werden. Zum damaligen Zeitpunkt schien dies jedoch keine Bedeutung zu haben.
Shawn Fanning erkannte bald, dass Napster nicht nur im Kreis seiner Freunde und Kommilitonen auf Interesse stoßen könnte. Anfang 1999 unterbrach er nach einem Semester sein Informatikstudium, um sich voll und ganz der Programmierung von Napster zu widmen. Sein Onkel John Fanning, der damals ein Internet-Schachportal betrieb, erkannte das Potential von Napster und gründete gemeinsam mit ihm die gleichnamige Firma. Im Sommer 1999 stellte die junge Firma schließlich eine komplett überarbeitete Version von Napster zum kostenlosen Download ins Internet. Die Nachfrage war dermaßen groß, dass man den Eindruck hatte, viele Internetnutzer hätten nur auf ein Programm wie Napster gewartet. Amerikanische Studenten gehörten zu den ersten, die Napster exzessiv nutzen. Diverse Campusserver amerikanischer Universitäten brachen in der Folge zusammen, da sie dem Austausch von MP3s über Napster nicht gewachsen waren.
Das neue Wunderprogramm verbreitete sich lawinenartig. Aus tausend Benutzern wurden zehntausend und kurze Zeit später Millionen. Ohne jede Werbung, sondern allein durch Mundpropaganda wurde Napster die am schnellsten verbreitete legale Software in der Geschichte des Internets.
Für viele ging mit Napster ein Traum in Erfüllung. Die Zahl der verfügbaren Lieder war schier unbegrenzt. Von kaum bekannten Genres bis zu schwer erhältlichen Raritäten, bei Napster schien jeder Hörer fündig zu werden. Ein Mausklick genügte, um den gewünschten Song von der Festplatte eines anderen Nutzers auf den eigenen Rechner zu übertragen. Napster wurde zum größten virtuellen Plattenladen der Welt und zugleich zum Alptraum der Musikindustrie. Denn weder Napster noch seine Nutzer zahlten auch nur einen Cent für heruntergeladene Stücke. Auf diese Art des Wilderns war die Musikindustrie nicht vorbereitet und reagierte deshalb schnell und heftig. Noch im selben Jahr reichte die RIAA (Recording Industry Association of America) Klage gegen Napster wegen Urheberrechtsverletzungen ein. Der Vorwurf lautete, dass es sich bei einem Großteil der getauschten MP3-Dateien um illegale Kopien urheberrechtlich geschützter Musikstücke handele. Sie forderte 100.000 Dollar Schadensersatz für jeden widerrechtlich getauschten Song. Bei mehr als 200.000 verfügbaren Liedern hätte sich die Forderung zu einer astronomischen Gesamtsumme von mehr als 20 Milliarden Dollar addiert.
Die ausgiebige Medienberichterstattung ließ Napsters Popularität noch weiter wachsen. Die Mitgliederzahlen vervielfachten sich, doch mit ihnen stieg auch der Protest der Künstler gegen die Tauschbörse. Im Mai 2000 musste Napster die erste juristische Niederlage einstecken. Die Anwälte der Heavy-Metal-Band Metallica erstellten eine Liste mit den Pseudonymen von über 300.000 Nutzern der Tauschbörse, die angeblich Lieder der Band zum Download angeboten hatten. Damit forderten sie von Napster die sofortige Sperrung dieser Nutzer. Napster kam der Forderung nach, indem es sie aus ihrer Datenbank entfernte. Das hielt indes keinen Nutzer davon ab, sich sogleich unter einem anderen Benutzernamen erneut anzumelden. Danach forderte Metallica, dass Napster den Austausch aller Lieder der Band unterbinden müsse. Andere Künstler, darunter auch der Produzent und Rapper Dr. Dre, folgten dem Beispiel Metallicas. Der Rapper Eminem erklärte, er wolle am liebsten jeden Filesharing-Nutzer eigenhändig verprügeln. Die Berichterstattung der Medien und die Kommentare der Plattenfirmen und Künstler zum Thema Napster wurden immer schärfer. Dies alles vergrößerte den Bekanntheitsgrad aber nur noch und erhöhte die Nutzerzahlen der Tauschbörse. Mittlerweile teilten über 20 Millionen Menschen ihre digitalen Musikarchive. Die britische Fachzeitschrift New Musical Express kommentierte damals: „Der Rock ’n‘ Roll steht am Rande eines Bürgerkriegs. In einer Internetrevolution, die im Download von MP3s besteht, nehmen es die Fans mit den Plattenfirmen und Bands auf.“
Im Laufe der Zeit setzten die Gerichte Napster jedoch immer mehr unter Druck. Bereits im Juli 2000 untersagte ein amerikanisches Bezirksgericht den Tausch urheberrechtlich geschützter Musik über Napster. Als der Anwalt von Napster darauf hinwies, dass dieses Urteil einer Schließung der Tauschbörse gleichkäme, erwiderte die amerikanische Richterin Marilyn Hall Patel lapidar: „Das ist Ihr Problem, Sie haben dieses Monster erschaffen.“
Napster brach daraufhin unter dem Ansturm der Nutzer, die sich noch rasch mit möglichst viel Musik eindecken wollten, kurzfristig zusammen. Die Tauschbörse legte Berufung gegen das Urteil ein. Der Fall musste neu aufgerollt werden, und bis zu einem endgültigen Urteil durfte Napster weiter online bleiben.
Der Hype um Napster war Mitte 2000 auf seinem Höhepunkt angelangt. Die Tauschbörse zählte über 40 Millionen Benutzer. Man ging davon aus, dass Napster auf fast jedem dritten Internetrechner der Welt installiert war. Im Oktober 2000 kaufte sich überraschend der Medienkonzern Bertelsmann bei Napster ein und kündigte an, seine Klage gegen die Tauschbörse fallenlassen zu wollen. Dennoch reagierten die Nutzer geschockt. Der Plan von Bertelsmann, Napster bis Sommer 2001 in einen bezahlten Download-Service zu verwandeln, bedeutete ein baldiges Ende des unbegrenzten, kostenlosen Downloads. Das Bezahlangebot kam jedoch nie zustande. Bertelsmann konnte sich mit den großen Plattenfirmen nicht über die Lizenzierung ihrer Musikbestände einigen, und so verweigerten die Plattenfirmen die Nutzung ihrer Rechte. Ohne deren Hits war eine bezahlte Tauschbörse jedoch undenkbar.
Am 1. Juli 2001 schließlich, dem Tag, an dem ursprünglich das neue kostenpflichtige Napster starten sollte, war es dann soweit: Eine richterliche Anordnung untersagte den weiteren Betrieb der zentralen Server von Napster. Diese stellten sich nun als Schwachstelle in der Architektur der Software heraus. Zwar konnte die Musikindustrie nicht Millionen von Nutzern rechtlich belangen. Als aber vor Gericht eine Abschaltung der Server erwirkt werden konnte, brach der Tauschbetrieb zusammen. Nach nur zwei Jahren musste Napster seine Pforten schließen.
Diese kurze Zeit hatte jedoch ausgereicht, die digitale Welt nachhaltig zu verändern. Zuletzt hatten über 60 Millionen Menschen das unbegrenzte Angebot an kostenloser Musik genutzt. In den Köpfen von Millionen Nutzern hatte sich die Idee des Tauschens im Internet festgesetzt. Das digitale Drama der Musikindustrie hatte begonnen.
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