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Wenn eine Release Group nicht über derart gute Kontakte verfügt, ist das für sie noch lange kein Grund, auf ein Release zu verzichten. Das Abfilmen neuer Kinohits direkt von der Leinwand ist in der Szene fast zu einer eigenen Disziplin geworden.
Eine solche im Kino abgefilmte Version, im Szenejargon Camrip genannt, stellt ebenfalls eine große Herausforderung für die Release Groups dar. Nicht selten ist die Aufnahme verwackelt und perspektivisch verzerrt, wenn die Kamera nicht frontal auf die Leinwand gerichtet ist. Zudem können in einem Kinosaal unterschiedliche Einflüsse die Aufnahme stören. Manchmal laufen Personen durch das Bild, oder man sieht die Hinterköpfe anderer Kinobesucher. Auch das Knistern von Popcorn- und Chipstüten oder das Gelächter der Zuschauer können den Filmgenuß bei einem Camrip trüben. Der Camrip von Steven Spielbergs Film Minority Report enthielt beispielsweise Hust- und Raschelgeräusche sowie koreanische Untertitel.
Dabei ist das Erstellen von Camrips nicht ungefährlich. In den USA können Camripper nach dem „Family Entertainment and Copyright Act“ zu Gefängnisstrafen verurteilt werden. Einige Kinos setzen mittlerweile Metalldetektoren ein, um Kameraausrüstungen schon am Eingang aufzuspüren. Auch Nachtsichtgeräte, mit denen Camripper im dunklen Kinosaal ausfindig gemacht werden sollen, gehören zur Grundausrüstung vieler Filmtheater.
Die Release Groups finden jedoch auch andere Wege, um Camrips zu erstellen. Sie kooperieren beispielsweise mit Kinobetreibern oder Filmvorführern und stellen dann ihre Kamera auf einem Stativ im Kinosaal auf. Eine solche Aufnahme, in der Szene Telesync genannt, bietet ein weitaus ruhigeres Bild. Vor allem in kleineren Kinos können die Release Groups ihre Kameras manchmal direkt im Vorführraum aufstellen, von wo aus eine ungestörte Sicht auf die Leinwand garantiert ist. Darüber hinaus ist es durch gute Kontakte auch möglich, sich den Film privat vorführen zu lassen. Während einer dieser Sondervorstellungen können die Gruppen den Film dann in aller Ruhe abfilmen. In der Regel erhalten Kinos die Filmrollen wenige Tage vor der Premiere. In dem Fall kann eine Release Group erneut damit angeben, einen Film vor Veröffentlichung verbreitet zu haben.
Um einen Film in höchstmöglicher Qualität zu releasen, benutzen viele Gruppen professionelles Kamera-Equipment. Die Camcorder, die vielfach von einem Hardware Supplier zur Verfügung gestellt werden, können mehrere tausend Euro kosten. Sie ermöglichen ein hervorragendes Bild, und auch die Tonqualität eines Telesyncs ist in der Regel einwandfrei, da die Release Groups nicht zwangsläufig auf das in die Kamera eingebaute Mikrofon angewiesen sind. Häufig können sie den Ton direkt vom Filmprojektor abzapfen. Einige Kinos bieten in den Armlehnen der Sitze auch Kopfhöreranschlüsse, die Hörgeschädigten zur Verfügung stehen. An diese schließen Szenemitglieder dann ihre Aufnahmegeräte an.
Ein sogenanntes Telecine bietet noch höhere Qualität. Mit Hilfe eines Filmabtasters wird der Film direkt von der Filmrolle abgetastet und in ein digitales Videoformat umgewandelt. Da dieses Verfahren überaus aufwendig und der benötigte Abtaster sehr teuer ist, sind Telecines recht selten in der Szene zu finden. Es gibt mittlerweile jedoch Kinoprojektoren, die einen Audio- und Videoanschluss besitzen. Hier können Szenegruppen den Film direkt kopieren. Andere Kinos wiederum haben auf digitale Vorführgeräte umgestellt. Auch in diesen Fällen genügt der Anschluss eines Laptops, um einen Film in perfekter Qualität aufnehmen zu können.
Die Filmindustrie versucht indessen, die Löcher in ihren Reihen zu stopfen. So stellte die Produktionsfirma Constantin Film erst Stunden vor der Premiere des deutschen Films (T)Raumschiff Surprise eine Komplettversion aus einzelnen Stücken her. Außerdem wurden Pressevorführungen sowie die Kontakte bei Herstellung und Transport auf ein Minimum reduziert. Viele Vorab-DVDs werden inzwischen mit einem Wasserzeichen im Bild versehen, damit unrechtmäßige Kopien zur undichten Stelle zurückverfolgt werden können.
Trotz der scharfen Sicherheitsvorkehrungen ist jedoch kein Rückgang von Moviez in Sicht. Vor der Premiere von Matrix 2 beispielsweise bekam die Presse den neuen Science-fiction-Thriller nur in Ausschnitten zu sehen. Dennoch tauchte kurz nach dem Kinostart eine hochwertige Kopie im Internet auf. Obwohl es von dem Film offiziell noch gar keine DVD gab, war es der Szene offenbar gelungen, eine nur für den Produktionsprozess angefertigte DVD zu kopieren.
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