Auf Kaperfahrt

NO COPY

von Jan Krömer und William Sen
Buchautoren und Journalisten

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Die Rücksichtslosigkeit, mit der in die Systeme Unbeteiligter eingedrungen wird, findet nicht zwangsläufig auch innerhalb der eigenen Reihen statt. Die FXP-Szene verhält sich untereinander keineswegs wie eine Gemeinschaft gedankenloser Egoisten. Vielmehr versucht sie, gesittet miteinander umzugehen.
Fremde Server, die von der FXP-Szene geentert werden, werden
als „besetzt“ gekennzeichnet, um zu verhindern, dass andere FXP Groups den Server erneut besetzen. Dies geschieht über das sogenannte Taggen. Derjenige, der einen bisher in der Szene unbekannten offenen Server entdeckt, markiert ihn mit seinem Namen oder dem seiner FXP Group und macht ihn damit zu „seinem“ Pub. In der Regel wird auf dem Server ein Verzeichnis mit dem Namen „/tagged/by/Gruppenname“ angelegt. Dieses Tag zeigt jedem weiteren Eindringling aus der Szene an, dass dieser Server schon besetzt ist. Zudem soll auf diese Weise verhindert werden, dass andere Szenemitglieder die Zugangsdaten zu dem Server in einem Board zur Verfügung stellen, um die Lorbeeren hierfür zu ernten. Über die Tags wäre ein solcher Betrug rasch zu erkennen.
Außenstehenden mag diese geregelte Besitzverteilung von gestohlenem Speicherplatz merkwürdig erscheinen. Sie trägt jedoch maßgeblich zum Funktionieren der Szene bei und reduziert Streitigkeiten zwischen den FXP Groups auf ein Minimum. In der FXP-Szene existieren, wie auch in der Release-Szene, ein gewisser Verhaltenskodex und bestimmte Regeln. Ein im Internet kursierendes Regelwerk nennt unter anderem folgende Richtlinien:

  • Das Recyceln von Pubs wird sehr empfohlen.
  • Uppe nur funktionierende Releases auf einen Pub.
  • Gib den Pub nicht an „zu viele“ Leute weiter. Sonst stirbt der Pub am Traffic.
  • Getaggte Pubs dürfen während 14 Tagen nicht getaggt werden. Nach 14 Tagen kann ihn jeder wieder taggen.
  • Auch ein Retaggen durch den Pub-Builder innerhalb der 14 Tage ist NICHT erlaubt!
  • Wenn ihr was von einem Pub downloadet, dann macht ein Reply und dankt dem Pub-Builder für seine Arbeit.
  • Wenn ihr denkt, ihr könnt nur leechen und müsst nichts dafür tun, dann habt ihr euch geirrt.
  • Pubs von anderen nicht publik machen – zum Beispiel kein Posten auf anderen Boards.
  • Uploade nichts auf gepostete Pubs ohne Erlaubnis des Pub-Builders.
  • Lösche nichts ohne Erlaubnis des Pub-Builders.

Diese Bestimmungen lassen eine Grundregel erkennen, die sich seit der Entstehung der Hackerkultur in fast allen Computersubkulturen wiederfindet und die auch in der Release-Szene eine zentrale Bedeutung hat: Die Anerkennung für die Arbeit anderer einzustreichen ist tabu. Dennoch finden die Prinzipien der FXP-Szene nicht immer Beachtung. Die Szene muss sich mit einer Vielzahl chronischer Regelbrecher herumplagen. Zu den schwarzen Schafen in der FXP-Szene gehören vor allem:

Rehacker: Hierunter versteht man in der FXP-Szene Personen oder Gruppen, die in einen bereits gehackten Server eindringen, um die darauf gespeicherten Warez unter ihrem Namen weiterzuverbreiten.

Deleter: Als Deleter bezeichnet man in der FXP-Szene eine besondere Form von Saboteuren. Sie versuchen die Arbeit anderer Szenemitglieder zu zerstören, indem sie deren Warez von FTP-Servern löschen. Oft stecken hinter den Löschaktionen rivalisierende Gruppen, die ihren Unmut über die Konkurrenz zum Ausdruck bringen möchten. Häufig hinterlassen sie dabei auf dem Server eine Visitenkarte in Form eines Verzeichnisses, das ihren Namen trägt. Somit signalisieren sie der betroffenen Group offen, wer die Löschung vorgenommen hat. Es gibt sogar ganze Deleter Groups, die möglichst viele Warez von besetzten FTP-Servern löschen. An der Tagesordnung sind zudem auch Löschaktionen der Server-Betreiber. Stellen sie fest, dass sich auf ihrem Server Warez befinden, versuchen sie natürlich, diese von illegalen Inhalten zu säubern.

Pubstealer: Von „Pub-Diebstahl“ spricht man in der Szene bei einer Reihe von Regelverstößen, bei denen ein bereits besetzter Pub regelwidrig benutzt wird. Ein Pubstealer ist zum Beispiel jemand, der die IP-Adresse eines Servers veröffentlicht, den er nicht selber gehackt und mit Warez gefüllt hat. Generell ist jedes FXP-Mitglied angehalten, einen eigenen Server für seine Schwarzkopien zu kapern. Pub Stealing führt dazu, dass Pubs überlastet werden und der rechtmäßige Besitzer des Servers dadurch schnell erfährt, dass sein Server für illegale Zwecke missbraucht wird. Die Szene kann jedoch nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Mitglieder immer neue Server erhacken. Würden dagegen nur Links zu einigen wenigen Servern verbreitet, wären nicht mehr genügend Ressourcen vorhanden, um die FXP-Szene am Leben zu erhalten. Pubstealer werden daher von den FXP Groups regelrecht verachtet und aus den eigenen Reihen verbannt.

NO COPY

von Jan Krömer und William Sen
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Jan Krömer und Dr. William Sen sind u. a. Autoren des Buchs "NO COPY - Die Welt der digitalen Raubkopie" - erschienen im Klett-Cotta Verlag. Das Buch sorgte vor allem in Deutschland für Aufklärung für das Verständnis für Raubkopien und untersuchte kritisch das gesellschaftliche und auch ökonomische Grundverständnis für "die Kopie".

Das Buch NO COPY ist kostenlos online verfügbar.

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