Original – Kopie – AdaptionDie TV-Serie im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeitvon Michael Scheyer
|
Durch die Beobachtung der zunehmenden multidimensionalen Verfügbarkeit von TV-Serien, die sich aus dem Angebot auf DVD, dem als VOD und der Verfügbarkeit per Filesharing zusammensetzt, lässt sich der Schluss ziehen, dass ein noch nie dagewesenes Interesse an TV-Serien herrscht, wodurch die TV-Serie zu dem dominant konsumierten Medienprodukt geworden ist.
Dieses Interesse spaltet sich aber in zwei Lager. Das eine Lager interessiert sich für die TV-Serie als solche, ist aber entweder nicht dazu in der Lage oder hat kein Interesse daran, die originalsprachige Fassung zu konsumieren. Das zweite Lager interessiert sich für die TV-Serie als solche, möchte aber aus (sozialem) Aktualitätsdruck oder weil es ohnehin Interesse daran hat, nur die sprachliche Originalfassung sehen. Man muss also stark annehmen, dass das Interesse an der sprachlichen Originalfassung immer mehr zunehmen wird und sich dieses Interesse in einer neu zu definierenden globalen Zielgruppe auswirken wird.
Um zu Benjamin zurückzukehren: Benjamin sah die Autorität des künstlerischen Originals in Gefahr, allein aufgrund der damals neuen Reproduktionstechnologien. Im digitalen Zeitalter dagegen, in der sowohl die sprachliche Originalfassung als auch die synchronisierte Fassung eines audiovisuellen Produkts zu jeder Zeit abrufbar oder käuflich zu erwerben sind, gewinnt das (sprachliche) Original wieder an Autorität. Die neuen Reproduktionspraktiken machen in zunehmendem Maße den für den interkulturellen Austausch notwendigen Zwischenschritt der sprachlichen Übertragung sichtbar und steigern die interkulturelle Kommunikation und das Verständnis der eigenen kulturellen Zugehörigkeit.
Man mag einwenden, dass es auch vor dem Internetzeitalter bereits ein Interesse an sprachlichen Originalfassungen gab und sich lediglich die Verfügbarkeit steigerte. War aber vor dem Internetzeitalter der Handel mit internationalen Medienprodukten noch mit großem Aufwand und Kosten verbunden, so herrscht nun regelrecht ein wirtschaftliches Schlaraffenland. Man darf an dieser Stelle nicht Ursache mit Wirkung verwechseln, denn Angebot und Nachfrage bedingen sich gegenseitig. Ein steigendes Angebot steigert meist eine Nachfrage, während umgekehrt auch eine steigende Nachfrage meist eine steigendes Angebot nach sich zieht.