Original – Kopie – AdaptionDie TV-Serie im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeitvon Michael Scheyer
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Wenn Benjamin von Reproduktion spricht, ist meist von abbildenden Praktiken die Rede, von Reproduktion im Sinne einer Abbildungstechnik. Die Photographie und der Film machten es möglich, die sichtbare Welt realistisch und interpretationsfrei wiederzugeben, sie objektiv zu reproduzieren.
Danach strebten die traditionellen Künste früher zwar auch, aber da diese an den Zwischenschritt des manuellen Reproduktionsprozesses gebunden sind, leiden sie zwangsläufig immer an einer Form von Verzerrung oder, mit anderen Worten, an der subjektiven und künstlerischen Interpretation der Welt. Zwar ist auch eine Photographie subjektiv, denn sie hängt von der Bildkomposition des Photographen ab sowie von dessen technischen Fertigkeiten, doch der Grad an realistischer Abbildung ist bei der Photographie höher als bei einem Gemälde, sofern dies die Intention des Photographen ist. Gegenüber den traditionellen Abbildungspraktiken haben die Photographie und der Film zwei grundlegende Vorteile:
1. Einen qualitativen, weil die Welt realistisch abgebildet werden kann.
2. Einen quantitativen, weil die Abbildung beliebig oft wiederholbar scheint.
Letzteres stimmt jedoch nur teilweise. Denn die Herstellung von vielen qualitativ guten Kopien war zu Benjamins Zeit noch an technisch und finanziell aufwändige Prozesse gebunden und konnte daher nur von einer sehr kleinen Anzahl von Menschen genutzt werden. Reproduktion war in erster Linie ein Privileg von Unternehmen mit entsprechenden finanziellen und technischen Ressourcen. Und obwohl im Laufe der Zeit die Reproduktionstechniken verbessert und günstiger und damit immer mehr Menschen zugänglich gemacht wurden, blieb die analoge Reproduktionskette bis zur Einführung der digitalen Reproduktion endlich.