Original – Kopie – AdaptionDie TV-Serie im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeitvon Michael Scheyer
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Es ist eigentlich schon ein alter Hut, trotzdem scheint es notwendig, in Anbetracht des globalen Interesses am US-amerikanischen Wahlkampf, ein weiteres Mal auf die Anglisierung der Welt hinzuweisen. Gerade in Deutschland oder auch Europa ist dieser Trend alles andere als neu. Schon seit Jahrzehnten dominieren US-amerikanische TVProdukte und Megastars die europäischen Medien. Die Anglisierung der Welt, wenigstens Zentraleuropas, ist kein Phänomen der Gegenwart.
Doch auch dieses Phänomen bekam mit der globalen Kommunikations- und Informationstechnologie des Internets eine neue Qualität. Dies hängt damit zusammen, dass einerseits die für das Internet notwendige Technologie im Grunde in Nordamerika entwickelt wurde und sich andererseits das Englisch ohnehin schon lange als globaler Standard der wissenschaftlichen Kommunikation durchgesetzt hat, weshalb die Entwicklung der Computer- und Internettechnologie auch in nicht-englischsprachigen Ländern auf Englisch fortgeführt wurde. Dies hatte zur Folge, dass alle Sprachen der Welt von einer neuen Flut zwar technologischer, aber englischer Begriffe überrollt wurden. Begriffe wie IP-Adresse, Router, Email, Provider und Server haben zwar deutsche Pendants, werden jedoch nur von einem begrenzten Kreis an Nutzern verwendet.
Dass Begriffe wie Newsletter, Email, Contact, Account, Password, Help, Click, Shipping, etc. auf allen internationalen Webseiten zu finden sind, ist einleuchtend. Sie erleichtern den globalen und transkulturellen Handel und Kulturaustausch enorm. Die technologische Sprache des Internets etablierte schnell einen globalen Standard, der die Anglisierung der Welt zusätzlich förderte.
Ähnliches zeigt die Geschichte Indiens. In Indien existiert eine große Anzahl von unterschiedlichen Sprachen und Dialekten. Die Amtssprache ist aufgrund der britischen Kolonialisierung zwar Englisch, aber erst seit wenigen Jahren, seitdem die vielen Callcenter nach Indien ausgelagert werden, nahm der Anteil an Englisch sprechenden Indern stetig zu. Nach Artikeln aus dem Forbes Magazin und dem Guardian Online, könnte Indien im Jahr 2010 zu dem Land auf der Erde werden, in dem die meisten Englisch sprechenden Menschen leben. Der Grund dafür ist einfach. Die Chance, in einem der vielen Callcenter zu arbeiten, stellt für die meisten Inder die einzige Möglichkeit dar, den Schritt aus der Armut heraus in einen relativen Wohlstand zu machen. Um diese Möglichkeit wahrnehmen zu können, sind die Inder darauf angewiesen Englisch zu lernen – was sie in Anbetracht ihrer Verhältnisse überaus motiviert machen. Ein ähnliches Wachstum ist in China zu beobachten.
Das Beispiel dieser Länder zeigt, dass das Wirtschaftswachstum eines Landes heute direkt mit den globalen Märkten zusammenhängt. Man kann also den Schluss ziehen, dass nur diejenigen Länder, deren Bevölkerungen in der Lage sind, global zu kommunizieren, eine wirtschaftlich gute Zukunft haben. Inwiefern sich diese Vermutung bewahrheitet, wird man erst in vielen Jahren sehen können, aber der Verdacht bestätigt nur eine wesentliche Annahme: Dass Englisch nicht nur global immer mehr von Bedeutung sein wird, sondern dass immer mehr Menschen auch in der Lage sein werden, auf Englisch zu kommunizieren.
Damit nimmt auch die Rezeptionsfähigkeit des Englischen zu. Dieses Phänomen lässt sich nebenbei auch an dem Sachverhalt beobachten, dass US-amerikanische Spielfilm-titel in Deutschland zunehmend nicht mehr ins Deutsche übersetzt werden. The Aviator wurde zum Beispiel nicht übersetzt oder aktueller: The Dark Knight. Gleichzeitig gibt es Beispiele dafür, dass sogar englische Titel nicht nur nicht übersetzt, sondern auch für das deutsche Publikum mit einem neuen englischen Titel versehen werden. So wurde zum Beispiel: Cradle 2 the grave geändert in: Born 2 die. Die Übersetzung von Filmtiteln bietet genügend Stoff, um eine ganze Arbeit zu füllen, aber man sieht, dass die Übersetzungspraxis sich an die Fähigkeiten der Rezipienten anpasste und immer öfters bereit ist, Filmtitel im Original zu belassen.
Eine weitere Errungenschaft transkulturell Musikbegeisterter ist das Angebot von Songtexten. Ist man nicht dazu in der Lage den Text des Lieblingssongs mitzusingen, reichen ein paar Klicks, um an den genauen Wortlaut der Songtexte zu gelangen. Die Anzahl der Treffer gibt Aufschluss über die Beliebtheit des Angebots: "Songtexte" (9.1 Mio Treffer bei Google), "Lyrics" (276 Mio) oder "song, words" (113 Mio). Das Interesse an originalsprachigen Sontexten ist nur ein Ausdruck von vielen für die Globalisierung und die Anglisierung der Welt. Englisch wird also nicht nur aus politischer und wirtschaftlicher Sicht von immer größerer Bedeutung werden, sondern auch aus kultureller Sicht.