Freitag 23. April 1999

Kölner Stadtanzeiger

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Denis Moschitto und William Sen schrieben Buch über die Szene

Eine Nacht im Hackerland

Denis Moschitto und William Sen im Kölner Stadtanzeiger mit ihrem Buch Hackerland

Geschlossene Gesellschaften haben meist etwas dagegen, wenn sie und ihr Tun öffentlich gemacht werden. Eine solche geschlossene Gesellschaft ist die Hackerszene: Computerbegeistert e Menschen sind das, die sich mit allem Ehrgeiz daran machen, den Kopierschutz der verschiedensten Programme zu knacken, die Mittel und Wege finden, ohne zu zahlen, Telefonleitungen zu benutzen. Wer als Insider die Strukturen, Methoden und Personen einer solchen Szene offenlegt, läuft Gefahr, als Verräter gebrandmarkt zu werden. Die beiden Kölner Denis Moschitto (21) und William Sen (23) haben es dennoch gewagt: Vor wenigen Tagen ist ihr Buch „Hackerland“ erschienen, in dem sie die Szene beleuchten. Und das Unerwartete ist geschehen: In ebendieser Szene wurde das „Logbuch“ positiv aufgenommen.

Wobei es die homogene Szene -jene „geheime, aber nicht unbedingt kriminelle Organisation“, wie sie die Autoren nennen – streng genommen schon gar nicht mehr gibt. Denn seit einigen Jahren spaltet sie sich in eine illegale und eine legale Abteilung auf: Die illegale knackt nach wie vor Programme,die legale produziert sogenannte „Demos“, das sind kleine Programme mit Grafik, Text und Musik, die bei bundesweiten Zusammenkünften vorgestellt und bewertet werden. Beiden Szenen ist nach wie vor eines gemeinsam: der Ehrgeiz und der Anspruch an sich selbst, kreativ zu sein.

Allerdings gesteht Denis Moschitto ein: „Die Grenzen zwischen den Szenen sind fließend. Einige aus der legalen Szene haben auch nicht immer eine weiße Weste. Denn wer Demos macht, der braucht dazu Programme …“ Dass die Autoren bei ihren Kollegen nicht in Ungnade gefallen sind, mag an folgender Einstellung liegen: „Wir reden ja nicht gegen Raubkopierer, sondern für sie – und gegen die Softwareindustrie“, meint Sen. Angeblich sagt er, entstünde der Industrie durch das Raubkopieren gar keine Schaden, da Hacker nicht die Leute seien, die Programme kaufen würden. Im Gegenteil, manche Firmen verdienen nach den Erfahrungen der beiden sogar an den Hackern. So habe es schon Fälle gegeben, in denen Firmen minderwertige Software veröffentlichen, die dann – wie erwartet – geknackt wurde. Anschließend wurden die Hacker zu Schadenersatz verurteilt, und die Firmen hätten so mehr verdient, als sie es mit dem Verkauf der Programme je getan hätten.

Geld, so meinen die beiden Autoren, sei bei den Szene-Mitgliedern – gleich ob legal oder illegal – nicht die treibende Kraft. „Obwohl sich da manche eine goldene Nase verdienen“, sagt Sen. Wichtiger sei das Motto „Danbeisein ist alles“. Und da ziehen die beiden Parallelen zu anderen Szenen, wie etwa den Hip-Hoppern und den Grafitti-Sprayern.

Für Moschitto und Sen – so eng sie auch nach wie vor mit der Szene verbunden sind – ist der Computer nicht mehr wie früher der alleinige Lebensinhalt. Sen: „Wir hatten mal solche Scheuklappen, aber das hat sich von einem bestimmten Alter an erledigt. Wir haben versucht, uns davon loszureißen, um nicht vor den Kisten zu verblöden.“ Jetzt ist etwas anderes wichtig. […]

Moschitto hat die Schauspieler-Laufbahn eingeschlagen: Er war schon in mehreren TV-Filmen zu sehen, und im Herbst läuft der Kinofilm „Gloomy Sunday“ von Rolf Schübel an.

Wer sich für die „legale Szene“ interessiert, der kann sich heute abend informieren. Im Komed-Haus im Mediapark findet ab 20 Uhr „Eine Nacht im Hackerland“ mit vielen Demos und Musik und den beiden Autoren statt. Das Buch „Hackerland“ ist erschienen im Tropen-Verlag, weitere infos dazu gibt es auch im Internet unter www.hackerland.de.

von H. Piegeler