Nach all den Hackern, Phreakern und Crackern mag es wohl schwer sein, sich eine ganz andere Seite der Scene vorzustellen. Eine Seite, die sich vom illegalen und kriminellen Handeln anderer Scener distanziert und trotzdem nicht ohne sie existieren kann: die Demoscene, auch „Legale Scene“ genannt.
Einen Einblick in diesen Teil der Scene zu bekommen, ist um ein Vielfaches einfacher, denn Versammlungen und Parties sind in der Regel für jedermann zugänglich. Das ist wohl einer der Gründe dafür, dass die Demoscene in den letzten Jahren von der Presse als eher uninteressante Begleiterscheinung einer Hacker-Subkultur rezipiert wurde. Sie war einfach nicht geheimnisvoll genug. Irgendwie ist es auch verständlich, dass einem 17-jährigen Teeanger, der sich in einen CIA-Computer einhackt, mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als einem scheinbar durchgenallten Programmierer, der seine Zeit und sein Talent damit „verschwendet“, titschende Bälle und rotierende Würfel auf einem Bildschirm zu erzeugen.
Im Vordergrund der Demoscene steht, wie der Name bereits verrät, die Demonstration der eigenen Fähigkeiten: Die Demo. Um zu verdeutlichen, was eine Demo ist und wer sie macht, muss man die Geschichte kennen, die die Demoscene durchlaufen hat. Und diese beginnt, wie in diesem Buch geschildert, in der illegalen Scene.
Die ursprüngliche Motivation eines Softwarecrackers, einen Kopierschutz zu entfernen und das entsicherte Programm in Umlauf zu bringen, war und ist nie das Geld gewesen. Der wirkliche Anreiz für die Mühen manch durchgemachter Nacht ist der Ruhm in der Scene. Schneller und besser zu sein, vor allen Dingen aber bekannter zu werden, sind die treibenden Kräfte, die Cracker zu Höchstleistungen anspornen.
Um jedem mitzuteilen, wer nun das Programm gecrackt hatte, bringt der Cracker seinen Namen an irgendeiner Stelle des Programms unter. Der beste Platz dafür war vor dem Programm, denn nur so war gewährleistet, dass jeder, der die gecrackte Software startete, zuerst den Namen des Crackers zu Gesicht bekam. Die Cracker entwarfen also kleine Vorspanne, in denen der Name des Crackers und das Datum des Cracks vermerkt wurden. Diese Vorspanne, in der Scene „Intros“ oder „Cracktros“ genannt, waren Anfang der 80er Jahre recht lieblos und unspektakulär gestaltet. Oft waren es nur starre Bilder mit kleinen Texten darunter, die sich bei edleren Intros vielleicht einmal in Zeitlupentempo von rechts nach links bewegten. Mit der Zeit begannen die Softwarecracker, immer größeren Wert auf das Erscheinungsbild ihrer Intros zu legen. Die Intro war schließlich die eigene Leistung, Verpackung und Präsentation bzw. Demonstration zugleich.
Bald verbrachten Cracker mehr Zeit damit, die Intro zu gestalten, als den Kopierschutz zu entfernen. Die Bilder fingen schließlich an, sich auf und ab zu bewegen, Texte wanderten hin und her (Scrolltext) und schließlich kam auch Musik hinzu. Die Cracker damals konnten natürlich nicht wissen, dass sie damit den Grundstein zu einer produktiven und ausschließlich legalen Scene legten, die nichts mit dem Cracken und Verbreiten einer Software zu tun haben sollte.
Man kam auf immer neuere und verblüffendere Ideen. Aber je mehr man in einen solchen Vorspann hineinpacken wollte, desto mehr Platz schluckte er. Das wurde zu einem Problem, denn die Hersteller programmierten ihre Software so, dass nicht mehr viel Platz auf einer Diskette übrig blieb – schon gar nicht für einen zusätzlichen Vorspann bzw. für die Intro. Es entstand ein neuer Wettbewerb. Man versuchte, bessere und größere Effekte auf möglichst wenig Platz unterzubringen. Optimierung des eigenen Intros war dabei nicht immer die beste Lösung. Oft optimierte der Cracker sogar die vom Hersteller programmierte Software selbst, um mehr Platz auf dem Datenträger zu bekommen. Dadurch konnte es durchaus vorkommen, dass eine Schwarzkopie weniger Fehleranfällig war als das Original.
Die Programmierer solcher Intros machten sich in den frühen 80ern einen großen Namen in der Scene und sind bis heute bekannt. Ihre Effekte waren zu der damaligen Zeit bahnbrechend und bildeten die Grundstufe der Computerspiele der heutigen Zeit. Würfel bewegten sich auf dem Bildschirm, geometrisch angeordnete Punkte bildeten Schlangen, Kreise und Spiralen. Wie ein Effekt entstanden war, war völlig egal. Ob Können oder Zufall, das einzige, was zählte, war die Innovation.
Die Popularität der Intros wuchs. Viele Leute, sowohl Scener, als auch Außenstehende, bewunderten die Künste dieser Programmierer. Die Nachfrage an größeren, schnelleren und besseren Effekten nahm zu. Der Vorspann bekam einen Eigenwert und war nicht mehr Mittel zum Zweck.
Viele Cracker erwarben sich mit ihren Intros mehr Ruhm als durch das Cracken von Software. Einige entschlossen sich deshalb, ihre Arbeit einzig und allein auf das Programmieren von Intros zu konzentrieren. Sie gründeten neue Groups in der Scene, die sich von nun auf die Herstellung solcher Intros kümmerte. Es entstand eine Art Arbeitsteilung. Der Programmierer einer Demo, in der Scene „Coder“ genannt, hatte Spezialisten, die sich ausschließlich um die Musik „Musician“ und die Grafik „GFX Artist“ kümmerten. Damit hatte er mehr Zeit zur Verfügung, um sich auf den eigentlichen Teil seiner Arbeit zu konzentrieren.
Die Intros wurden größer und eigenständig. Damit war das Wort „Intro“ nicht mehr treffend und die mittlerweile zu Demonstrationen ausgearteten Produktionen bekamen ihren heutigen Namen „Demo“.
6. Hauptsache Spaß
Vom Cracker zum Coder
Demos: Die elektronische Kunst
Wenn die Scene feiert