In der Regel ist die Scene selbst nicht sonderlich daran interessiert, welche Software sie crackt, solange diese als Neuheit in Insiderkreisen für Aufmerksamkeit sorgt und funktioniert.

Den einzelnen Scene Groups geht es mehr um den Respekt, den sie durch einen Crack innerhalb der Groups ernten. Wer zuerst eine Software crackt, gilt als schnell (fast).

Viele Programme wurden in den vergangenen Jahren gestohlen, gecrackt und anschließend in Umlauf gebracht, ohne dass auch nur ein einziger Scener sie genutzt hätte. Die Scene sieht sich nun einmal nicht als Verbraucher. Sie führen lediglich ein Wettrennen innerhalb ihrer eigenen Strukturen. Aus diesem Grund ist es ihr egal, ob nun jemand das gecrackte Programm wirklich benötigt oder ob es etwas taugt. Denn gecrackte Software dient in erster Linie als Werbeträger für den eigenen Namen.

Einige Softwarefirmen mit Insiderwissen nutzten dies in der Vergangenheit und schlossen geheime Deals mit verschiedenen Cracking Groups ab, um die Scene auf eine falsche Fährte zu locken. Das Angebot klang für Eingeweihte seltsam, aber dennoch verlockend: Die angesprochenen Gruppen bekamen von den Herstellern die „neueste Software“. Diese sollte gecrackt und möglichst gezielt in der Scene verbreitet werden – und das auch noch für Geld.

Das ganze schien zunächst sinnlos, da sich die Softwareunternehmen damit offensichtlich selbst schadeten. Selbstverständlich war dem nicht so. Bei den Softwareprodukten, die in die Scene geschleust wurden, handelte es sich häufig um gefälschte oder stark fehlerhafte Versionen des Originals, die zum Teil nicht funktionierten (Fake). Die Idee, die hinter dieser Aktion steckte, basiert auf einem alten Scene Codex. Es war ein ungeschriebenes Szenegesetz, dass kein Programm zweimal gecrackt werden darf, da es sonst doppelt wäre (Dupe). Die Gruppe, die es als erste schaffte, ein Softwareprodukt zu cracken, erntete den Ruhm, und die Software wurde damit schlagartig für jede andere Scene Group uninteressant. Da sich in der Scene allerdings kaum jemand wirklich um den Inhalt einer Software kümmerte, verging einige Zeit, bis man den Schwindel bemerkte. Damit blieb dem Softwareunternehmen genügend Zeit, ihr Produkt ohne Druck durch Schwarzkopierer auf dem Markt zu etablieren.

Software kontrolliert an Schwarzkopierer zu verteilen, konnte für ein Softwareunternehmen noch einen weiteren Nutzen haben. Denn ein schlechtes Computerspiel, das auf dem Markt keine Chancen hatte, konnte durch die Scene über die ganze Welt verteilt werden. Da die Scener keine Softwarekritiker sind, würde das Programm keine inhaltliche Kritik in der Scene selbst hervorrufen. Doch der Name der Softwarefirma wurde auf diesem Weg ohne eigenes Zutun weltweit bekannt. Was könnte sich ein Unternehmen mehr wünschen als Imagewerbung, die kostenlos und darüber hinaus noch zuverlässig ist? So einfach wird aus einer weltweiten kriminellen Vereinigung die größte Litfasssäule der Welt.

Derartige Fälle haben einige Cracking Groups innerhalb eigener Kreise in Verruf gebracht. Die bloße Anschuldigung, mit einem Softwareunternehmen unter einer Decke zu stecken, konnte große Cracking Groups aus der Scene bannen. So gab es in der Vergangenheit das Gerücht, dass eine Scene Group dem Hersteller „Factor 5“ versprochen hatte, Software nur in fehlerhaften Versionen in Umlauf zu bringen. Dafür bekam die Gruppe dann die Software vor dem eigentlichen Erscheinungstermin und konnte durch diesen Crack zunächst für kurze Zeit Ruhm in der Scene für den schnellsten Release ernten.

Oft werden solche Gruppen auch heute noch geächtet. Ihnen werden kommerzielle Absichten vorgeworfen. In manchen Fällen ging es sogar so weit, dass eine ausgestoßene Gruppe, die versucht, mit guter gecrackter Software erneut Anschluss an die Scene zu finden, von dieser an die Polizei verraten wurde.

Um sich vor Missverständnissen und gefälschten Schwarzkopien zu schützen, wird heute nahezu jedes Softwareprodukt, das vor dem Erscheinungstermin in der Scene zu haben ist, am Tag der echten Veröffentlichung in dieser Version erneut gecrackt.


1. Softwarepiraterie

Die ersten Schwarzkopierer
Der Cracker
Hand in Hand: Softwarefirmen und Schwarzkopierer
Der Schwarzhandel mit CDs
Schwarzkopien im Internet