Lawnmower Man von der Gruppe Birdhouse Project

Lawnmower Man von der Gruppe Birdhouse Projects gehört zu den Leuten in der Scene, die sich durch Tricks die Möglichkeit verschaffen, kostenfrei zu telefonieren. Er ist bereits seit langem Mitglied der Scene, dort auch als Phreaker bekannt und noch aktiv.

Wir kennen Lawnmower Man noch aus der Zeit, in der Calling-Card-Nummern in der Scene zu Hunderten verkauft wurden. Wir trafen ihn auf einer Scene-Veranstaltung und konnten ihn zu einem Interview überreden.

Autoren: Du bezeichnest dich selbst als Phreaker. Kannst du uns sagen, worin die Aufgaben eines Phreakers bestehen?
Lawnmower Man: Möglichst viele Wege zu finden, kostenfrei zu telefonieren.

Wem gibst du die Möglichkeit, kostenfrei zu telefonieren?
Natürlich der Scene, dem Freundeskreis oder der eigenen Gruppe. Das bedeutet aber weit mehr als nur telefonieren. Da steckt eine Menge dahinter, zum Beispiel Voicemailsysteme, also VMB. Oder was gibt es noch? Konferenzen und ähnliches. Im Grunde machst du das nur für die Scene.

Birdhouse Project ist doch eine legale Demogruppe. Du dagegen bist jedoch ein Phreaker, also illegal. Wie kommt es zu einer Verbindung zwischen einem Phreaker und der legalen Demoscene?
Ich gehe ganz in der Gruppe auf, aber eigentlich stelle ich nur meine Phreaker-Fähigkeiten zur Verfügung. Weil ich die Leute kenne und weil ich dabei sein wollte. Das ist einfach ein positiver Nebeneffekt, dass die Gruppe davon profitiert. Denn auch bei einer Demogruppe fallen überall Telefongebühren an.

Was war überhaupt deine Motivation, der Scene beizutreten? Durch welche Beziehungen bist du reingekommen?
Reingekommen bin ich damals über die C64-Zeit mit Mail-swapping, also Versenden von Disketten per Post. Und dann habe ich angefangen, auf andere Systeme zu wechseln. Von C64 auf Amiga und dann auf PC. Und wenn man mit einem Modem in einem Board drin ist, kann man weitere Kontakte knüpfen. Ist man einmal drin, geht’s weiter. Eine Nummer nach der anderen. Irgendwie wurde das immer mehr.

Wir hörten von einem Fall, bei dem ein Scener an Calling-Card-Nummern von MCI gekommen ist, weil er ein Angestellter der Firma war. Gab es noch weitere ähnliche Vorfälle?
Gab und gibt es durchaus. Allerdings, wo du jetzt MCI erwähnst, da gab es doch vor drei Jahren den sogenannten „MCI-Bug“. Aus irgendeinem Grund waren dort Tausende von Karten vorhanden. Die waren nicht dazu da, benutzt zu werden, sie waren fiktiv da. Wie man an die rangekommen ist, war reiner Zufall. Es gab in den Staaten eine Art Partyline. Aus Gag bin ich einfach zum elektronischen Operator gegangen und habe dort die Telefonnummer der Partyline plus Pin Eleven Ninetynine angegeben. Und das hat funktioniert. Auf einmal warst du im MCI-Zentralcompy drin. Dann hat man mit dem Block im Mund ein bisschen rumgescannt, und da kam immer mehr bei rum. Mit diesen Nummern hat die halbe Scene rumgecallt, bis MCI dahintergekommen ist.

Das war also nur Zufall?
Genau, reiner Zufall, da waren keine geplanten Absichten dahinter. Man kann natürlich auch gezielt suchen. Zum Beispiel, indem du dir ein kleines Scanprogramm schreibst, um Calling Cards zu scannen.
Aber das ist eigentlich nur Schnickschnack. Die meistens Geschichten laufen auf sogenanntem „Social Engineering“, das heißt, man ruft Leute an und erzählt denen irgendwas, um an deren Calling-Card-Nummer oder Social-Security-Nummer zu kommen. Mit der Social-Security-Nummer kann man beispielsweise gerade im Internet sehr viele Sachen bestellen und buchen.

Gab es einen Höhepunkt in der Geschichte der Phreaker?
Als im Jahre 1995 die Blue Box in den Sack gegangen ist. Da hatte man die Möglichkeit, sich die Frequenzen in den Boards zu ziehen, um damit zu callen. Da haben dann 90 Prozent der Scener zum Schluss an irgendwelchen Boards rumgehangen, um an die Frequenzen zu kommen. Und in den USA sind Mailboxen mit zehn bis zwanzig Nodes wie Pilze aus dem Boden geschossen.
Das Ziel des Blue Boxing war ja, kostenfreie Leitungen in die USA zu bekommen. Danach war’s eigentlich ruhig. Die Boards in den USA sind in den Keller gegangen. Die haben ziemlich gelitten, und deswegen sind in den USA auch nur wenige gute Boards übriggeblieben.


Anhang

Interview mit einem Phreaker
Interview mit Timelord
Interview mit sTEELER
Interview mit Uwe Fürstenberg (Software 2000)