Scener lassen sich von Polizei und Rechtsanwälten nicht unbedingt abschrecken. Vor allem dann nicht, wenn sie mit ihnen zusammenarbeiten. Bei Massenanfertigungen von Schwarzkopierten CDs haben die illegalen Hersteller das Risiko bereits einkalkuliert. Sobald eine bestimmte Menge an Datenträgern verkauft worden ist, kann man mit dem Risiko gut leben. Die Gewinne können in die Millionen steigen. Keine Softwarefirma kann die Summe des angeblich verursachten Schadens eigentlich zurückerstattet bekommen.
Ein überführter Schwarzkopierer kann nur in den seltensten Fällen für den Schaden, den er angerichtet hat, voll aufkommen, und so kommt es häufig zu Deals zwischen Softwarepiraten und den ermittelnden Rechtsanwälten. Man einigt sich auf eine für den Angeklagten annehmbare Summe, frei nach der Devise: „Lieber weniger als gar nichts“. Von einer Klage wird dann abgesehen.
Die Hersteller haben seit den Anfängen der Softwareindustrie mit Softwarepiraterie zu kämpfen. Das Problem scheint unlösbar. Solange die Nachfrage nach Schwarzkopien besteht, wird es Abnehmer dafür geben. Für Ermittler kann dieser Zustand frustrierend wirken. Es ist der Kampf gegen Windmühlen. Dass dann einige den Kampf aufgeben oder plötzlich selbst zu Tätern werden, ist ein bekanntes Phänomen, das man aus der Drogenfahndung kennt.
Mittlerweile ist der Tausch von Software auch unter gewöhnlichen Usern üblich. Viele geben gern und ohne ein schlechtes Gewissen Kopien an Freunde und Bekannte weiter. Dass damit eine Straftat begangen wird, ist vielen zwar bewusst, aber doch eher egal. Unternehmen behaupten, dass ihnen große Schäden durch Schwarzkopierer entstehen. Ausnahmen zeigen jedoch, dass sie nicht unbedingt daran zu Grunde gehen müssen und es mit der Wahrheit auch so genau nehmen. Man erinnere sich zum Beispiel an die bekannte Softwarefirma „Factor 5“, die Ende der 80er Jahre das noch bekanntere Computerspiel „Turrican“ erfolgreich im Markt etablierte. Jedem Computerbesitzer war dieser Titel ein Begriff und Unzählige besaßen es. Das Problem jedoch war, dass angeblich niemand diesen Titel käuflich erworben, sondern von Freunden als Kopie bekommen hatte.
Die Softwarefirma Factor 5 gehörte zu den einzigen Unternehmen, die dazu einen Open Letter an die Scene weitergab, mit der Bitte, ihn als NFO File in verschiedenen Boards zu verteilen. So etwas war zu jener Zeit genauso schwer bis unmöglich wie heute. Denn die illegale Scene hätte ein Softwareunternehmen niemals Gehör geschenkt. Doch Factor 5 bestand zum Teil aus ehemaligen Scenern, die ihre Beziehungen spielen lassen konnten, um das Schreiben zu verbreiten. Darin klärte das damals noch junge Unternehmen über den entstandenen Schaden und den Verlust auf, den sie durch die Scene erlitten hatte. Die Scene wurde aufgefordert, sich den Schaden bewusst zu machen. Ferner kündigte Factor 5 an, keine weiteren Spiele für den Amiga zu produzieren, weil die Scene dort am aktivsten wäre. Factor 5 behauptete in diesem Brief weiter, durch die Scene an den Rand des Ruins getrieben worden zu sein. Das Magazin „Aktueller Spiele Markt“ (ASM) schrieb hierzu, dass „Turrican“ weltweit nur in einer lächerlichen Stückzahl verkauft worden sei.
Factor 5 schaffte es, zumindest einen Stein ins Rollen zu bringen. In der Scene wurden Stimmen laut, die für eine kontrollierte Verbreitung von Schwarzkopien plädierten. Schließlich sei es nicht ihre Absicht, gute Softwarefirmen zu zerstören. Seitdem kann man nun beobachten, dass hin und wieder in einigen gecrackten Spiel die Aufforderung lesen ist, man solle sich das Original kaufen, wenn einem die Kopie zusage: „A game worth playing is a game worth buying.“ (zu Deutsch: Ein Spiel, das es wert ist gespielt zu werden, ist es auch wert gekauft zu werden).
4. Die Szene und das Gesetz
Polizei, Gesetz und Gravenreuth
Agent Provocateur
Im Kreuzfeuer der Softwarefirmen
Das Strafverfahren